Wer wird der neue «Dumme»?

Trump verteidigt Abzug aus Syrien: USA können nicht weiter Weltpolizist sein

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

«Wir sind nicht länger die Dummen, Leute», sagte Donald Trump bei seinem überraschenden Truppenbesuch in Irak. Dort verteidigte der US-Präsident den von ihm - wider den Ratschlag seiner Militärs - angeordneten Truppenrückzug aus Syrien. «Vor acht Jahren sind wir für drei Monate dahin gegangen und nie abgezogen. Jetzt machen wir das Richtige und werden es beenden.»

In Irak werde man bleiben, doch in Syrien, wo US-Soldaten im Norden vor allem die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) ausgebildet, ausgerüstet und geführt haben, sei der Auftrag erfüllt. Man wollte den Islamischer Staat (IS) aus seinen militärischen Hochburgen vertreiben, nicht aber die syrische Nation neu aufbauen, erläuterte Trump und machte - wie ein Manager, der Geschäfte nach Gewinn und Verlust bewertet - klar: Die USA könnten nicht weiter Weltpolizist sein.

Noch ist offenbar nicht einmal Trump klar, wie der Rückzug der USA aus Syrien laufen soll. Tatsache ist, dass weiter Luftangriffe geflogen werden. Auch gibt es Gerüchte, dass die regulären US-Soldaten demnächst - wie auch in Afghanistan - durch US-«Dienstleister» ersetzt werden. Dabei ginge es keinesfalls darum, Solidarität mit den bisherigen Verbündeten zu zeigen. Eher will man durch Söldner einen nichtsstaatlichen «Fuß» in der syrischen Tür behalten, denn es ist kaum anzunehmen, dass Washington ein weiteres Erstarken des iranischen Einflusses in Syrien tolerieren will. Das hat auch Israel vor wenigen Tagen deutlich gemacht und wieder Angriffe auf Lager iranischer Truppen nahe der syrischen Hauptstadt geflogen.

Unterdessen verstärkt die Türkei ihre Aggressionstruppen in Syrien. Frische Verbände und verbündete syrische Milizen nehmen an der Grenze Aufstellung, um gegen die YPG, in der Ankara nur Abkömmlinge der verhassten PKK sieht, vorzugehen. «Die Schlacht wird bald beginnen», sagte ein Sprecher der von der Türkei unterstützten Nationalen Armee. «Was wir jetzt an der Front beobachten können, ist die Verstärkung aller Kräfte, um die volle Einsatzbereitschaft für die Schlacht herzustellen. Die Truppe und das in Nordsyrien engagierte türkische Militär haben bislang Offensiven gescheut, um kein direktes Aufeinandertreffen türkischer und US- Soldaten zu riskieren.

Noch bemüht sich Ankara politisch um das Einverständnis der USA und Russlands. Gelingt das und dringt die Türkei weiter militärisch vor, so wird sich die YPG aus eroberten Gebieten, in denen mehrheitlich ohnehin Araber wohnen, zurückziehen müssen.

Was dem IS neue Freiräume eröffnen könnte. Dagegen will sich der syrische Präsident Baschar al-Assad wappnen. Nicht nur verbal. Es ist die Rede von abermaligen geheimen Verhandlungen zwischen syrischen Kurden und Damaskus. Berichtet wird auch von Truppenverlegungen der Assad-Armee und darüber, dass das russische Militär in den fraglichen Gebieten bereits geräumte Kommandoposten wieder besetzt. Parallel dazu machte das Außenministerium in Moskau deutlich, dass das von den Kurden kontrollierte Gebiet der syrischen Regierung übergeben werden müsse, um die staatliche Einheit und Souveränität wieder herzustellen. Diese Ansage richtet sich direkt gegen Ankara, obgleich beide Staaten in den grundsätzlichen Beziehungen gerade erst einen »Schmusekurs« eingeschlagen haben.

Offenbar gibt es Bemühungen der YPG, Großbritannien und Frankreich als neue Schutzpatrone zu gewinnen. Zumindest aus Paris waren bereits vor Monaten Andeutungen zu hören, dass man bei einem möglichen US-Truppenabzug aus Syrien seine Truppenpräsenz ausbauen könnte, um in das entstehende Vakuum zu stoßen. Davor warnte die türkische Regierung die französische sehr direkt.

Wenn zwei NATO-Partner so miteinander über Kreuz liegen und zudem weitere Verbündete in den Streitfall Syrien involviert sind, wäre das eigentlich ein zwingender Grund für schlichtende Beratungen innerhalb des nordatlantischen Bündnisses. Doch aus dem NATO-Hauptquartier Brüssel ist offiziell nichts zu vernehmen. Und aus Deutschland? Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte jüngst betont: »Im Kreis der Verbündeten herrscht Einigkeit darüber, dass der IS leider noch nicht vollständig besiegt ist« und zusammen »mit vielen befreundeten europäischen Nationen und Ländern der muslimischen Welt« wolle man ein Wiederaufflammen des IS-Terrors »unbedingt verhindern«. Vager geht es kaum.

Bei Trumps Rückflug aus Irak hätte es Gelegenheit gegeben, die verfahrene Lage unter Verbündeten zu besprechen. Der US-Präsident legte einen Stopp auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz ein. Doch nach Konsultation war ihm nicht. Er posierte lieber für Weihnachtsselfies mit seinen Soldaten.

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