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- Golden Globes 2019
Im falschen Film: Wenn Weiße Asiat*innen spielen
In Hollywood werden systematisch weiße Schauspieler*innen bevorzugt - auch für asiatische Charaktere
Sich bei den Golden Globes noch einmal für das Whitewashing ihrer Rolle in »Aloha« zu entschuldigen, war das einzig Richtige, was Emma Stone tun konnte. Doch anstatt sie dafür als Einzelperson zu feiern, sollte das Problem weißer Schauspieler*innen in nicht-weißen Rollen als ganzes kritisiert werden - und die Produzent*innen und Regisseur*innen dafür in die Verantwortung genommen werden.
Emma Stone war 2015 von Regisseur Cameron Crowe gecastet worden, um einen Charakter hawaianisch-chinesischer Abstammung zu spielen. Dafür gab es Kritik: Asiat*innen würden in Filmen nicht ausreichend - und wenn überhaupt, dann oft klischeehaft - repräsentiert. Außerdem würden asiatische Schauspieler*innen benachteiligt, selbst wenn die Rolle eigentlich asiatisch angelegt sei. Crowe und Stone hatten sich beide bereits 2015 dafür entschuldigt. Und Stone rief noch einmal »I'm sorry« durch den Saal, als sich die kanadisch-koreanische Moderatorin Sandra Oh bei der Golden-Globe-Verleihung über die weiße Rollenbesetzung lustig machte.
Ohs Stichelei war ebenso angebracht wie Stones Entschuldigung. Allerdings spielte Oh mit ihrem humorvollen Seitenhieb gegen Whitewashing nicht nur auf »Aloha« an, sondern auf Scarlett Johanssons Rolle in der Adaption des japanischen Animes »Ghost in a Shell«. Alles was Johansson dazu zu sagen gehabt hatte, war, wie toll es sei, eine Frau in der Rolle der Actionheldin zu spielen und dass der Cyborg-Charakter ja eigentlich eh »identitätslos« sei. Wenn ihre Besetzung Menschen davon abhalte, den Film zu sehen, dann sei sie »ok damit«.
Auch Tilda Swinton wurde Whitewashing für ihre Rolle in der Comic-Verfilmung »Doctor Strange« vorgeworfen: im Original ein weiser, tibetischer Mann. Sie verteidigte sich und die Macher des Films - ähnlich wie Johansson - damit, dass die Uminterpretation der weisen Figur als weiblich eigentlich für mehr Diversität und weniger Stereotype sorgen sollte. Eine Entschuldigung von Swinton, Johansson oder den jeweiligen Produzenten blieb bisher aus.
Mehr Frauen in mächtigen, starken und weisen Rollen zu sehen, ist eine positive Entwicklung, die noch lange nicht abgeschlossen ist. Aber warum müssen es immer wieder weiße Frauen sein, die diese Rollen bekommen? Insbesondere, wenn eine asiatische Besetzung auch mit Blick auf die entsprechende Figur angemessener wäre? Mamoru Oshii, Regisseur des Anime-Originals von »Ghost in a Shell«, sah kein Problem in der Rollenbesetzung. Wie Johansson sagte er, die Figur sei ein Cyborg und dessen physische Form sei eine völlig ausgedachte. Er und andere Kritiker*innen der Whitewashing-Debatte hätten recht - wenn es im Showbusiness und in der Gesellschaft als ganze keinen Rassismus und keine Diskriminierung gäbe. So lange Frauen of Color in komplexen, ermächtigenden Rollen unterrepräsentiert sind, sollten Produzent*innen jede Gelegenheit nutzen, das zu ändern. Denn Repräsentation auf der Leinwand hat auch Auswirkungen auf bestehende Stereotype in der Gesellschaft.
»Aloha«, »Ghost in the Shell« und »Doctor Strange« wären solche Gelegenheiten gewesen. Sie wurden verpasst. Immer wieder kommt es vor, dass in Hollywood Charaktere of Color mit weißen Schauspieler*innen besetzt werden: Zum Beispiel John Wayne als Genghis Khan, Mickey Rooney als einen klischeehaft gespielten japanischen Vermieter in »Frühstück bei Tiffany« oder »Gods of Egypt« ohne eine einzige Ägypterin oder einen einzigen Ägypter im Cast.
Dass Emma Stone sich entschuldigt hat, war die richtige Entscheidung von ihr. Nun muss sich aber die tatsächliche Besetzungspraxis in Hollywood ändern. Die Verantwortung dafür liegt vor allem bei den Produzent*innen und Regisseur*innen. Sie hätten die Macht, langfristig mit dafür zu sorgen, dass Frauen of Color in der Gesellschaft völlig selbstverständlich als stark, klug und mächtig akzeptiert werden. Wie es bei Spiderman heißt: »Aus großer Macht folgt große Verantwortung«.
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