Kleinmühlingen ist ein Dorf in den sanften Hügeln der Magdeburger Börde. Größte Attraktion ist das Friedensfahrtmuseum, das eine kleine Gemeinschaft von Anhängern des einst größten Amateur-Radrennens in einer ausgebauten Scheune betreibt. Der Rohbau fürs neue Museumsgebäude steht auch schon, finanziert aus Spenden. Und während die Devotionaliensammler aus Kleinmühlingen vom Umzug ins neue Gebäude träumen, scheint die Friedensfahrt zum »abgeschlossenen Sammelgebiet« zu werden. Wer die Macher der mittlerweile zweitklassigen Profi-Etappenfahrt zur Zukunft des 2005 und 2007 ausgefallenen Straßenrennens befragt, erfährt Pessimismus. »Ich hoffe schon, dass wir es noch hinbekommen, aber ganz ehrlich, es sieht schlecht aus«, sagt zum Beispiel der Schweizer Tourdirektor Herbert Notter. »Mir hat gerade ein großer Sponsor abgesagt, der mit 400 000 Euro dabeisein wollte. In Zeiten des Dopings wolle man sich nicht im Radsport engagieren hieß es. Mein Finanzplan von 700 000 Euro ist damit geplatzt.« »Ich habe vom Lizenzinhaber, dem tschechischen Radsportverband, nichts von einer Friedensfahrt 2008 gehört« sagt auch Thomas Barth, einst Kapitän des DDR-Friedensfahrt-Sechsers und in den letzten Jahren als Technischer Direktor für die Streckenführung verantwortlich. »Aber so langsam müsste man sich um Etappenstädte kümmern: Die sollen ja schließlich eine fünfstellige Summe berappen.« Auch in Prag herrscht Skepsis. Vladimir Holeczek, Vizepräsident des Verbandes »Ceský svaz cyklistiky«, beziffert die Wahrscheinlichkeit einer Friedensfahrt 2008 mit »maximal 20 Prozent«. Nicht viel, gibt der Tscheche zu, der gleichzeitig als Vizepräsident des Weltradsportverbandes UCI fungiert: »Aber es fehlen die Sponsoren. Immerhin ist die Fahrt bei der UCI angemeldet, traditionell für den Mai.« Pavel Dolezel, 1965 Zweiter der Gesamtwertung und von 1996 bis 2004 im Duo mit dem Leipziger Jörg Strenger erfolgreicher Friedensfahrtdirektor, äußert sich ähnlich. »Die Fahrt gerät in Tschechien schon in Vergessenheit. Keine Zeitungsberichte, keine Fernsehnachrichten, nichts.« Der 67-Jährige, der 2005 nach Streitigkeiten mit Strenger die Fahrt verließ, sagt dennoch: »Ich helfe jedem neuen Organisator gern.« Tourdirektor Herbert Notter führt trotz aller Zweifel weiterhin Hintergrundgespräche. Unlängst gab es in Zürich ein Treffen mit den Präsidenten der osteuropäischen Radsportverbände. Polens Radsportchef Woiciech Walkiewicz habe Interesse signalisiert, wieder mitzumachen, sagt Notter. Auch mit dem Präsidenten des russischen Verbandes, Alexander Gusjatnikow, habe er geredet. Vielleicht könne man drei Etappen in Moskau austragen? Wie damals, 1985, als die Fahrt mit drei Etappen in der Hauptstadt der UdSSR begann? Vielleicht kann man heute einen russischen Sponsor finden? Einen Oligarchen à la Abramowitsch? Oder Gazprom? Präsident Gusjatnikow, einst Radrennfahrer und 1972 und 1975 5. im Gesamtklassement der Friedensfahrt, könnte der Gedanke gefallen: »Die Fahrt ist großartig, ihr Gedanke überzeugend und ihre Popularität auch in Russland groß«, sagte er ND. Prinzipiell könne man so etwas organisieren. Aber es werde teuer. Und Sponsoren seien für Radsport auch im großen Russland schwer zu finden, leider. Friedensfahrtchef Notter sagt, dass die Bemühungen um Moskau nur ein Versuch seien. Wenigstens etwas. Besser als Nichtstun. Glaubt er an eine Fahrt 2008? »Kaum. Ich hoffe nur noch.« Die allerletzte Etappe der Friedensfahrt scheint in Kleinmühlingen zu enden. Museumsreif.
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