Auf der Spur der Goldfinger

Prozess gegen vier junge Männer wegen Diebstahls einer 100 Kilogramm schweren Münze

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein spektakulärer Diebstahl, der in der Nacht zum 27. März 2017 im Berliner Bode Museum stattfand und der am Donnerstag vor dem Landgericht Berlin verhandelt wurde: Gegen halb vier Uhr sollen drei der Angeklagten über eine Leiter vom gegenüberliegenden S-Bahnviadukt auf ein Vordach des Museums gelangt und in das Fenster eines Umkleideraums für Wachleute im zweiten Stock des Museums eingestiegen sein. Anschließend sollen sie aus der Münzausstellung die hundert Kilogramm schwere Goldmünze »Big Maple Leaf« mit einem Verkaufswert von 3,75 Millionen Euro aus einer Vitrine entwendet haben.

Die damals 18- bis 22-Jährigen sollen diese dann mit einem Rollbrett auf dem gleichem Weg aus dem Museum geschafft haben: Aus dem Fenster in 1,80 Meter Höhe auf das Vordach und dann mit einer Schubkarre über die hochgelegenen Gleise Richtung Monbijoupark, wo sie mit einem Seil heruntergelassen und in ein wartendes Auto geschafft worden sein soll. Seitdem fehlt von der Münze, von der es nur fünf Exemplare gibt, jede Spur. Ermittler gehen davon aus, dass sie in Stücke zerteilt und verkauft wurde.

Am Donnerstag begann vor der Jugendkammer des Landgerichts in Berlin-Moabit gegen vier junge Männer im Alter von 20 bis 24 Jahren der Prozess wegen schweren Diebstahls - nicht wegen Raubes, wie mehrere Medien zuvor berichtet hatten, da bei der Tat keine Gewalt angewendet wurde. Die Angeklagten sind allesamt deutsche Staatsangehörige: Der 20-Jährige Schüler Ahmed R., sein 24-jähriger Bruder, der Student Wayci R., ihr 22 Jahre alter Cousin Wissam R., der nach eigenen Angaben als Kurier arbeitet sowie der 20-jährige Deutsch-Türke Denis W., der zurzeit noch zur Schule geht und Ende Februar eine Ausbildung anfangen will. Er soll als Wachmann das Gebäude ausgekundschaftet und die Informationen weitergegeben haben.

Mit Pappordnern und Zeitschriften vor dem Gesicht liefen die jungen Männer an den Dutzenden wartenden Reportern und Fotografen vorbei in den Saal. Vor Gericht schwiegen die Angeklagten, ihre Anwälte erhoben hingegen schwere Vorwürfe: Nach monatelangen Ermittlungen durch eine Sonderkommission sei kein einziger Beweis gefunden worden. Trotz des immensen Ermittlungsaufwandes mit Observationen, 50 Telefonüberwachungen, Funkzellenabfragen, GPS-Verfolgung und 30 Durchsuchungen, seien lediglich Indizien zusammengebastelt worden, so die Anwälte.

So soll sich einer der Angeklagten auf seinem Handy über Goldpreise informiert haben. Außerdem wurden Goldpartikel an seiner Kleidung gefunden. Alles keine Beweise meinen die Anwälte und werfen der Staatsanwaltschaft vor, ihre Anklage lediglich auf ein Gutachten zu Videoaufnahmen zu stützen. Diese sollen die Verdächtigen zeigen, ihre Gesichter sind jedoch nicht zu sehen. Die Gutachter meinen jedoch, die Angeklagten anhand ihres Bewegungsverhaltens identifizieren zu können.

Die Verteidiger beklagen zudem eine öffentliche Vorverurteilung ihrer Mandanten, nur weil diese Teil einer arabischen Großfamilie sind, die schon öfter im Visier polizeilicher Ermittlungen stand. Auch seien die Ermittlungen einseitig geführt worden: »Indizien werden als Tatsachen dargestellt«, so der Anwalt von Denis W. Entlastenden Spuren, etwa zu dem in der Tatnacht diensthabenden Wachmann, sei nicht nachgegangen worden. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien »bloße Vermutungen« und stützten sich lediglich auf die Tatsache, dass er ein Schulfreund eines der Angeklagten war.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen die vier Männer Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung beantragt. Denis W. und Wissam R. stehen unter sogenanntem Vermögensarrest, dürfen ihr Vermögen also nicht auf andere übertragen. Im Falle einer Verurteilung erwartet die Angeklagten eine Haftstrafe zwischen drei Monaten und zehn Jahren. Das Strafmaß hängt auch davon ab, ob das Gericht Erwachsenen- oder Jugendstrafmaß anwendet. Insgesamt sind zwölf Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird im März erwartet.

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