Hannover gendert mit Sternchen

Die hannoversche Stadtverwaltung spricht ab jetzt von »Lehrer*innen« und »Bürger*innen«/ Viele protestieren - dabei setzt die Stadt nur eine Gesetzesänderung um

  • Lou Zucker
  • Lesedauer: 3 Min.

»Liebe Kolleg*innen«: Die Stadt Hannover will sich in Zukunft in ihren offiziellen Schreiben, Formularen und Veröffentlichungen an alle Menschen richten - auch jene, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Das heißt konkret, möglichst geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden, beispielsweise »die Lehrenden« statt »die Lehrer« oder »Anita und Konrad Schulz« anstelle von »Herr und Frau Schulz«. Die Stadtverwaltung hat hierfür kürzlich einen Leitfaden für geschlechtergerechte Verwaltungssprache herausgebracht.

»Vielfalt ist unsere Stärke«, äußert sich Oberbürgermeister Stefan Schostok zu der neuen Empfehlung. »Diesen Grundgedanken des städtischen Leitbilds auch in unserer Verwaltungssprache zu implementieren, ist ein wichtiges Signal und ein weiterer Schritt, alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht anzusprechen.« Hannover geht mit dem Leitfaden einen ersten Schritt, die Gesetzesänderung umzusetzen, nach der seit dem 1. Januar dieses Jahres eine dritte Geschlechtsoption im Personenstandsregister geführt wird.

In vielen Städten und Kommunen existieren bereits seit Jahren Leitfäden für geschlechtergerechte Sprache. Dabei geht es in der Regel aber nur darum, sowohl Männer als auch Frauen anzusprechen, beispielsweise durch das »Binnen-I« wie in »LehrerInnen«. Hannover ist laut eigenen Angaben die erste größere Stadt, die in ihrer Verwaltungssprache auch Menschen ansprechen möchte, die sich nicht als Mann oder Frau beschreiben. Ähnliche Regelungen hat bisher nur die Gemeinde Burgwedel beschlossen.

Obwohl es sich also um die bloße Umsetzung von Gesetzesgrundlagen handelt, gibt es Kritik an der bevorstehenden sprachlichen Anpassungen. Auf Twitter regen sich Nutzer*innen über den vermeintlichen »Genderwahn« und »Gendergaga« auf. Die »Welt« erachtet den drohenden Abstieg von »Hannover 96« aus der Fußballbundesliga als ein dringenderes Problem.

»Wir haben ein Meer an Schmähmails bekommen«, erzählt Maren Gehrke, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der hannoverschen Stadtverwaltung, dem »nd«. Darin werde sie und wie auch ihre Kolleg*innen beispielsweise als »Lachnummer« bezeichnet, der »ins Gehirn geschissen« worden sei und die mit ihrem »Genderscheiß« auf dem »Müllhaufen der Geschichte« landen werde. Die beleidigende Post käme von überall aus Deutschland: »Ich kann nicht sagen, dass Hannover das Zentrum der Angriffe ist«, sagt Gehrke.

Ihre Mitarbeitenden in der Verwaltung stehen laut Gehrke hinter dem neuen Leitfaden. »Vorher gab es kritische Fragen von Bereichen, die mit dem Thema noch wenig zu tun hatten«, erinnert sie sich. Nun erreichten sie vor allem konstruktive Nachfragen, zum Beispiel wie genau das Gender-Sternchen zu verwenden sei. »Über solche Nachfragen freuen wir uns«, sagt Gehrke. Die Broschüre wurde von einer großen Arbeitsgruppe entwickelt, in der viele unterschiedliche Bereiche mitwirkten. Das erleichtere die Akzeptanz, so Gehrke.

Die tatsächliche Umsetzung der geschlechtsumfassenden Sprache kann allerdings noch Jahre dauern. »Wir müssen das sukzessive umsetzen«, sagt Gehrke. Eine entsprechende Kontrollinstanz wird es nicht geben. »In manchen Bereichen ist die Gesellschaft einfach noch nicht so weit, da werden wir nicht dazwischengrätschen«, sagt Gehrke. Beispielsweise in Mahnschreiben wird es erst einmal weiter »Herr« und »Frau« heißen.

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