Humanität am Ende

Bundesregierung setzt Operation »Sophia« aus, die Marine ist zufrieden und konzentriert sich vorerst wieder auf die Ostsee

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Keine gute, doch eine erwartete Entscheidung: Die Regierung setzt die deutsche Beteiligung an »Sophia« aus. Der Name der Operation fand Verbreitung nach der Geburt eines kleinen Mädchens auf der deutschen Fregatte »Schleswig-Holstein«, das man nach dem marineinternen Rufnamen des Schiffes Sophia nannte. Offiziell lautet der Codename der Mission EUNAVFOR MED.

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Formal geht es um die Bekämpfung der Schleuserkriminalität aus Nordafrika, vor allem aus Libyen. Faktisch jedoch halfen deutsche und Kriegsschiffe anderer EU-Nationen dabei, Flüchtlinge und Migranten aus akuter Seenot zu retten. So leisteten die Militärs zumindest einen kleinen Beitrag gegen das Massensterben im Mittelmeer. Zumeist brachte man die Geretteten zu italienischen Häfen. Doch das hat die neue rechte Regierung in Rom weitgehend unterbunden. Sie sorgte auch dafür, dass das von der EU zuletzt bis Ende 2018 verlängerte Mandat nur noch rein technischer Natur war. Zugleich verschob die Operationszentrale in Rom das Schwergewicht und setzte die drei verbliebenen Kriegsschiffe aus Deutschland, Spanien und Italien fast ausschließlich zur Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Libyen ein und ließ Lagebilder vom Ölschmuggel aus dem nordafrikanischen Land erstellen. Bewusst hielten die Verantwortlichen in Italien die Schiffe von den Flüchtlingsrouten fern. Die letzte Rettung von Schiffbrüchigen durch die Bundeswehr liegt bereits rund zehn Monate zurück.

Nachdem Italien bereits mit teilweise kriminellen Methoden Schiffe von privaten Rettungsorganisationen weitgehend vertrieben hat, gelingt das nun auch im militärischen Bereich. Objektiv hilfreich ist dabei die Unfähigkeit der EU, sich über die Verteilung von Geretteten zu einigen.

Es gäbe eine einfache Lösung. Man muss die Kriegsschiffe einfach unter nationalem Kommando zur Lebensrettung ausschicken. Die logische Konsequenz: Alle von deutschen Kriegsschiffen Geretteten dürften in Deutschland Asyl beantragen. Eine derart humanitäre Haltung scheitert an den politischen Mehrheiten in Deutschland.

Eigentlich sollte der Einsatzgruppenversorger »Berlin« - ein Schiff, das bestens für Rettungseinsätze ausgerüstet ist - die nun heimkehrende »Augsburg« ersetzen. Doch nun wird die »Berlin« an NATO-Übungen im Atlantik teilnehmen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Man könne auf Lageänderungen »jederzeit flexibel reagieren«, betonte der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Andreas Krause. Doch im Grunde hält er das Aussetzen der Teilnahme an der Operation »Sophia« für eine »gute Entscheidung. Die freiwerdenden Seetage können wir gut zu Übungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung nutzen«.

Mangels anderer politischer Entscheidungen der schwarz-roten Bundesregierung baut die Marine militärstrategische Fähigkeiten aus. Am Mittwoch wurde in der Rostocker Hansekaserne ein neuartiger Stab gebildet. Der »German Maritime Forces Staff« wird Operationen an der Nordflanke der NATO planen und führen. Im Bedarfsfall kann er zu einem deutlich größeren internationalen Führungsinstrument, dem »Baltic Maritime Component Command« (BMCC), erweitert werden.

Die Ostsee, so betonte der Stellvertretende Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Rainer Brinkmann, am Dienstag auf einer internen Strategietagung, habe deutlich an Bedeutung gewonnen. Sie sei »von der Spielwiese für Frieden und Freundschaft zur verwundbaren Nabelschnur zu unseren Verbündeten im Baltikum geworden«. Zwar ist die »halbhegemoniale Macht« Deutschland selbst nicht mehr Frontstaat, aber dem Land komme »eine Drehscheibenfunktion für die Unterstützung unserer Partner im Osten zu«.

Doch Brinkmann hat einen durchaus globalen Blick auf die »Gemengelage strategischer Interessen und geopolitischer Faktoren«. »Die Versteppung und Verkarstung der Kontinente nimmt in Verbindung mit dem dort herrschenden Wasser- und Ressourcenmangel bei gleichzeitiger Zunahme der Bevölkerung dramatisch zu. Die Menschen machen sich auf den Weg an die Küsten, wo sich trotz der ohnehin hohen zivilisatorischen Dichte immer mehr Bevölkerung und maritime Infrastruktur ballen und von wo aus Menschen hoffen, in eine bessere Welt aufbrechen zu können.«

Brinkmanns Schlussfolgerung als Marinebefehlshaber: »An der Südflanke sind wir durch Massenmigration, Menschenhandel, organisierte Kriminalität und fehlende staatliche Ordnungsstrukturen gefordert.« Die Herausforderungen seien »zwar maßgeblich polizeilich humanitären Charakters, ohne die Streitkräfte wird es aber nicht gehen«. Der Admiral meint: »Letztlich geht es um nicht mehr und nicht weniger, als einen unkontrollierten Sturm auf die Festung Europa zu verhindern.«

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