Wechsel in die Wirtschaft

Mitarbeiter von Ex-CSU-Chef Horst Seehofer gehen zu bayerischen Unternehmen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie die Homologie, also der Gleichklang zwischen dem politischen und dem wirtschaftlichen Feld funktioniert, kann man derzeit in Bayern sehen. Durch die Zepterübergabe von Horst Seehofer, bislang CSU-Parteichef, an Markus Söder auf dem Parteitag vom 19. Januar in München ist auch ein Wechsel der bisherigen Getreuen angesagt. So übernimmt der CSU-Pressesprecher Jürgen Fischer eine Aufgabe in der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft. Auch Seehofers persönlicher Referent Michael Hilmer wechselte zu Jahresbeginn von der Partei in ein Unternehmen und wurde Assistent der Geschäftsführung bei einer Versicherung. Und Marc Sauber, ehemaliger Chefredakteur des »Bayernkuriers« und zuletzt für Zukunftsfragen zuständig, geht nach Presseberichten zu einem Automobilunternehmen.

Derartige Positionswechsel verweisen auf eine Kompatibilität der Akteure sowohl für das Politikgeschäft der CSU als auch für die Geschäftspolitik der Unternehmen. Anders ausgedrückt, hier kommt zusammen, was sowieso noch nie ernsthaft getrennt war. Wenn man es ein bisschen überspitzen will, kann man die CSU auch als politischen Arm der Unternehmerverbände bezeichnen.

Ein jüngstes Beispiel: Die Forderung nach einem Tempolimit auf den deutschen Autobahnen. Was fast überall auf der Welt und selbst in den USA geregelt ist, soll nicht für Deutschland gelten. Der Hintergrund: Eine Berliner Regierungskommission plädiert in einem Papier für deutliche Schritte hin zu mehr Klimaschutz im Verkehr.

Danach will die Kommission möglicherweise Tempolimits auf Autobahnen, deutlich höhere Benzin- und Dieselsteuern und eine Pflichtquote für Elektroautos empfehlen. So sollen bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrsbereich um fast die Hälfte gesenkt werden. Im Einzelnen: Auf Autobahnen soll eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometern gelten. Und ab dem Jahr 2025 empfehlen die Experten Quoten für Elektroautos: Ab 2025 soll ihr Anteil 25 Prozent und ab 2030 dann 50 Prozent betragen und das verbindlich.

Viele empfinden die Raserei auf den Autobahnen als Irrsinn, nicht aber der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der meint hingegen, die Vorschläge der Regierungskommission zu einer möglichen Verkehrswende seien »gegen jeden Menschenverstand« gerichtet.

Warum wohl? Vielleicht ja wegen der überragenden Rolle der Autoindustrie in der deutschen und speziell in der bayerischen Wirtschaft. Hängen doch 200 000 Arbeitsplätze im Freistaat direkt oder indirekt an der Branche, und 30 Prozent der wirtschaftlichen Wertschöpfung in Bayern gehen auf große Hersteller wie BMW und Audi und ihre Zulieferer zurück. Und diese bayerischen Autobauer produzieren große, schwere und schnelle Limousinen, die für gutes Geld, aber auch über Emotionen verkauft werden - und dazu gehört die Lust an der freien Fahrt. Entsprechend groß ist der Druck der Autolobby gegen ein Tempolimit.

Bei Scheuer rennt diese offene Türen ein. Er hat andere Lobbyisten im Auge, wenn er kritisiert, dass die ihre »immer wieder aufgewärmte Agenda« durchdrücken wollten. Sein Credo: »Wir wollen die Bürger von den Chancen der Mobilität der Zukunft begeistern und mitreißen. Forderungen, die Zorn, Verärgerung, Belastungen auslösen oder unseren Wohlstand gefährden, werden nicht Realität und lehne ich ab.«

Und wen wundert es, dass der CSU-Politiker mit gleicher Stimme wie die »Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft« (vbw) spricht. »Das Konzept der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h und der damit verbundene Verzicht auf ein generelles Tempolimit in Deutschland haben sich bewährt. Wir haben ein differenziertes System aus festen Geschwindigkeitsbegrenzungen, zeitweisen Limits sowie Wechselverkehrszeichen. Diese dynamischen Verkehrsleitsysteme erlauben eine gezielte Steuerung der Geschwindigkeitsbegrenzung, abhängig von Verkehrsaufkommen oder Witterung«, so vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen helfe beim Klimaschutz laut vbw nicht nachhaltig, denn der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr werde durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen nicht maßgeblich beeinflusst. Wenn man den CO2-Ausstoß international senken wolle, sei die Forderung nach einem generellen Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen kein geeignetes Mittel, sondern reiner Populismus, so Brossardt.

Derlei übereinstimmende Positionen zwischen Unternehmensverbänden der Arbeitgeber und der Politik der CSU finden sich allenthalben, sei es bei der faktischen Aufhebung der Erbschaftssteuer für Unternehmen oder bei der Einschätzung von Hartz IV, einst mit den Stimmen auch der CSU beschlossen. So wendet sich die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft »entschieden« gegen Forderungen, Hartz IV abzuschaffen und warnt davor, das Armutsgesetz grundsätzlich infrage zu stellen. Brossardt: »Das wäre ein Rückfall in alte Zeiten, das können wir uns nicht leisten. Allein die Debatte darüber ist schädlich.«

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