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Lieben Sie Geld?

Der dekadente Dokumentarfilm »Generation Wealth« zeigt die dekadente Welt der Reichen, die im Überfluss leben

  • Nicolai Hagedorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Gleich am Anfang des neuen Films der US-amerikanischen Starfotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield wird es unappetitlich: Der per US-Haftbefehl gesuchte ehemalige Hedgefonds-Manager Florian Homm wird in Großaufnahme dabei gezeigt, wie er an einer dicken Zigarre nuckelt wie ein Baby an der leergesaugten Brust, und in Angeberpose auf dem Ledersofa darf er das Thema des Films aussprechen: »Es gab kein Boot, das ich mir nicht hätte leisten können. Es gab kein Flugzeug, das ich mir nicht hätte leisten können. Es gab nichts, das ich mir nicht hätte kaufen können. Ich liebte Geld. Come to me!«

In den folgenden 100 Minuten schwirrt der Film zwischen verschiedenen Exzessen hin und her, während der Journalist Chris Hedges düstere Prognosen abgeben darf: »Es ist vergleichbar mit dem Ende Roms. Die Pyramiden wurden auch in einer Zeit gebaut, in der Ägypten einen jähen Verfall erlebte. So läuft es immer.« Begriffliches und analytische Schärfe sind nicht die Sache des Films.

Die Narration geht in etwa so: Die weltweite High Society ist seit den 90er Jahren vollkommen außer Kontrolle geraten, weil durch die Abschaffung des Goldstandards und die Einführung des Neoliberalismus viel Geld in Umlauf gekommen ist, mittlerweile hat der Geld- und Statuswahn sogar Mittel- und Arbeiterschichten ergriffen. Dabei werden Kinder und Pornodarstellerinnen ausgebeutet, aber: Rettung naht in Form der Kleinfamilie, in der man die wahren Werte des Lebens schätzen lernt. An dieser Erzählung ist ungefähr alles falsch oder Ideologie - und dennoch ist »Generation Wealth« ein sehenswerter Film, denn er zeigt das ganze Ausmaß des Schlamassels sehr anschaulich.

Und der Wahnsinn ist real: Eine Mutter, die ihre dreijährige Tochter auf Showgirl trimmt; eine Hedgefonds-Managerin, die nach unzähligen kosmetischen Operationen riesige Alienaugen und offenbar nicht mehr alle Tassen im Schrank hat; ein als Therapeut der Reichen und Schönen vorgestellter Mann, der ebenfalls aussieht wie von Dr. Frankenstein zusammengenäht, aber im Film über die »psychische Gesundheit« von »Birkin-Bag«-Trägerinnen schwafeln darf; ein Limousinenunternehmer, der für eine Stretch-Limo mit Swimmingpool und Hubschrauberlandeplatz einen Guinness-Buch-Eintrag hat; Leute, die 16 000 Dollar für einen Kurs zahlen, in dem sie lernen, eine Orange mit Messer und Gabel zu essen - und mittendrin Homm, der feixend erzählt, wie er seinen minderjährigen Sohn in Amsterdam von einer Prostituierten entjungfern ließ.

Im Zentrum von »Generation Wealth« jedoch steht Lauren Greenfield selbst. Sie inszeniert die kleine Kaste Superreicher als eine Art negative kulturelle Avantgarde und ihren eigenen Lebenslauf und ihre Familie als prototypisch für die US-amerikanische Gesellschaft. Einer der eindrücklichsten Momente des Films ist der, in dem Greenfields 8-jähriger Sohn versucht, seinen Eltern in einem Text mitzuteilen, unter welchem Druck er steht: »Erbe bedeutet, dass mein Bruder ein perfektes ACT-Ergebnis* erzielt, 36 von 36 Punkten. Und ich weiß noch, wie ich in der Nacht weinte, weil ich nicht wusste, ob ich auch ein solch gutes Ergebnis erzielen könnte, und weil ich mich fragte, ob meine Eltern dann noch stolz auf mich sein würden.« Wo Menschen, die noch bei Trost sind, die Kamera ausschalten und bemerken würden, dass hier etwas aus dem Ruder gelaufen ist, wird in der Familie Greenfield gejubelt und das Kind für seine literarischen Fähigkeiten gelobt. Es ist wirklich zum Schreien.

Diese Menschen, Homm, Greenfield und all die Harvard-Charaktermasken sind ja wirklich der Überzeugung, sie würden »die Welt beherrschen«, wie Homm an einer Stelle meint. Dass das ganze schöne Leben, die ganze Angeber- und Prasserei, dass dieses ganze Geld nicht durch Druckmaschinen in die Welt kommt, sondern dass für den Wert, den die lustigen Scheine repräsentieren, irgendwo auf der Welt echten Arbeitern ein Teil ihrer Arbeitszeit als Mehrwert abgepresst wird, dass Greenfield und ihre Freunde gewissermaßen die Lebenszeit derer verprassen, die den gesellschaftlichen Reichtum mit ihrer Arbeit produzieren, davon wollen diese Leute nichts wissen. Sie halten sich und ihre Bagage tatsächlich für unersetzlich und etwas Besonderes. So ist die eigentliche Tragik dieses überaus eitlen Films, dass er selbst ein Teil der Dekadenz ist, die er zeigen will. Und man geht aus dem Kino und weiß, dass eine zünftige Revolution, die diesen Gesamtdreck entfernt, unumgänglich ist.

»Generation Wealth«, USA 2017. Dokumentarfilm. Regie/Buch: Lauren Greenfield. 106 Min.

*ACT: Leistungstest für die Hochschulreife in den USA

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