- Berlin
- Öffentlicher Dienst
Landesbedienstete üben den Streik
Gewerkschaft ver.di fordert sechs Prozent mehr Lohn für den öffentlichen Dienst
Zumindest die Sonne meint es gut mit den Berliner Landesbediensteten und schenkt den Streikenden am Montagmittag ein paar ihrer seltenen strahlenden Momente. Trotz des guten Wetters ist die Beteiligung an der Streikkundgebung, zu der die Gewerkschaft ver.di anlässlich der laufenden Tarifrunde der Länder aufgerufen hatte, gering. Rund 250 Menschen sind laut ver.di zum Dienstsitz von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber der Länder, gekommen, um ihre Unzufriedenheit mit ihren Arbeitsbedingungen auszudrücken.
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»Viele von uns sind nicht richtig eingruppiert und selbst wenn doch, verdienen sie zu wenig«, meint Annukka Ahonem. Die 44-Jährige arbeitet in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Gleichstellung und sorgt sich um den Nachwuchs: »Es gehen so viele in den Ruhestand. Um gute junge Leute zu kriegen, muss man mehr bieten«, glaubt sie. Mehr Gehalt fordert auch Markus Köbele von der Berliner Feuerwehr. Der Notfallsanitäter setzt sich in der Verhandlungsgruppe dafür ein, die Einkommensschere zwischen dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und dem besser entlohnten Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) zu verringern.
In Brandenburg etwa, wo für die Kommunen der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gilt, liegt der Lohn der Landesbediensteten mehrere Hundert Euro über dem ihrer Kolleg*innen in Berlin, die nach TV-L bezahlt werden. »Meine Kollegen in der Leitstelle in Eberswalde verdienen bis zu 1200 Euro brutto mehr«, erzählt der 44-Jährige. Die Versuchung, woanders hinzugehen, wo die Bezahlung besser ist, sei da groß.
Für Berlin, in dessen Behörden eklatanter Personalmangel herrscht, eine gefährliche Entwicklung: »Wir haben das Problem, dass der öffentliche Dienst die Fachkräfte, die er bräuchte, gar nicht mehr gewinnen kann«, sagt Roland Tremper von ver.di dem »nd«. Das liege auch daran, dass die Entgelte nicht wettbewerbsfähig seien: »Wir stehen in Berlin in Konkurrenz zur Privatwirtschaft und zu den Bundesbehörden und sehen da ganz alt aus.« Die Gewerkschaft fordert daher sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro. Auch die die Eingruppierung der Landesbeschäftigten soll geändert werden. »Völlig überzogen« meint Finanzsenator Kollatz, ohne jedoch ein Gegenangebot vorzulegen.
»Der Berliner Landesdienst blutet aus, wenn nicht endlich gehandelt wird«, ruft Roland Tremper den Streikenden zu, die mit lautem Pfeifen antworten. Die Stimmung ist gut, es läuft laute Musik und aus einer in die Jahre gekommenen Gulaschkanone wird Suppe und Bockwurst an die streikenden Polizist*innen, Feuerwehrleute und andere Landesbedienstete verteilt. Auf einem »Tischlein deck dich« schreiben die Beschäftigten, was sie sich von der zweiten Runde der Tarifverhandlungen am 6. und 7. Februar wünschen. Neben Forderungen nach mehr Gehalt und Arbeitszeitverkürzung fordern sie vor allem mehr Personal und mehr Anerkennung.
Trotz der ernsten Themen beweisen die Gewerkschafter*innen viel Humor. So werden allerlei Märchen verlesen, die durch den Personalmangel entstandene Probleme spielerisch thematisieren. Dabei werden die vielen Gefängnisausbrüche ebenso aufs Korn genommen wie die lange Frist bis zur Fertigstellung geplanter Fahrradwege. Zum Schluss wird noch ein Liedchen über die Kita-Krise gesungen und es gibt einen »Fahrradweg to go«. »Dann kann jeder seinen eigenen Fahradweg aufkleben und endlich sicher durch die Stadt fahren«, sagt Daniela Ortmann von ver.di lachend.
Roland Tremper zeigt sich trotz der geringen Beteiligung zufrieden: »Wir wollten ja nicht Berlin lahmlegen, das war nur ein erster Warnstreik«, sagt er. Sollte es in der zweiten Verhandlungsrunde jedoch zu keinem akzeptablen Angebot der Arbeitgeber kommen, werde ver.di seine Streikaktionen ausweiten.
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