Neonazis ins Abseits stellen

Der FC Energie und die Stadt Cottbus unternehmen etwas gegen die rechte Fanszene

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor dem Blechen-Carré in Cottbus stehen wie immer junge Flüchtlinge. Es ist ihr Treffpunkt. Einer kommt dazu und wird laut und fröhlich begrüßt. Kunden gehen hinein, Radler sausen vorbei. Drin vertreiben sich deutsche Jugendliche die Zeit. Ein Wachmann stoppt sie an der Rolltreppe und ermahnt: »Das Einkaufszentrum ist kein Spielplatz!« Draußen gibt es einen Dönerimbiss, der Schülern und Studenten auf alle Speisen einen Preisnachlass von zehn Prozent gewährt, und schräg gegenüber befindet sich ein Spezialladen für orientalische Lebensmittel.

Alles ist friedlich. Doch vor einem Jahr gab es hier gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen syrischen Flüchtlingen und Einheimischen. Anschließend organisierte der asylfeindliche Verein »Zukunft Heimat« vor dem Carré Kundgebungen mit bis zu 3000 Teilnehmern, darunter unübersehbar eine Reihe von Neonazis. 170 Cottbuser aus dieser Szene sind dem Verfassungsschutz bekannt. Ob aber der Vereinsvorsitzende Christoph Berndt - er wohnt in Golßen und steht auf Platz zwei der AfD-Landesliste für die Landtagswahl am 1. September 2019 - von der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums beobachtet wird, das will Abteilungsleiter Frank Nürnberger nicht verraten. Er dürfe es nicht preisgeben, sagt er am Montagabend bei einem Termin im Rathaus am Neumarkt. Das Rathaus liegt nur ein paar Schritte vom Blechen-Carré entfernt.

In Raum 127 hat sich Nürnberger mit Innenstaatssekretärin Katrin Lange, Ordnungsdezernent Thomas Bergner (CDU) und mit Matthias Auth, dem Verwaltungsratschef des Fußballvereins FC Energie Cottbus, an einen runden Tisch gesetzt. Beraten wird der Umgang mit dem rechten Fanmilieu und seinen Verbindungen.

Staatssekretärin Lange spricht hinterher von einer »nach wie vor schwierigen rechtsextremen Mischszene in Cottbus«. Die Lage sei nicht neu. Man habe Absprachen getroffen, wie auf bestimmte Situationen besser reagiert werden könne.

Bereits vorher vom Land Brandenburg zugesagt waren 24 000 Euro. Zusammen mit weiteren 21 000 Euro von der F.C.Flick-Stiftung reicht das für einen Beauftragten für Vielfalt und Toleranz beim FC Energie. Die Stelle soll Mitte März ausgeschrieben werden, erklärt Verwaltungsratschef Auth. »Die erste Stufe im Kampf gegen den Rechtsextremismus haben wir im Mai 2017 genommen«, sagt Auth. In einem Monat werde die zweite Stufe in Angriff genommen. Der Verein werde mit Spielern in Schulklassen gehen und die Werte des Fußballs vermitteln. Vielfalt sei so ein Wert. Verfassungsschutzchef Nürnberger findet den Ansatz richtig. Der Kampf um die Köpfe und Herzen sollte in den Schulen beginnen. Mit Repression allein werde man ihn nicht gewinnen, urteilt Nürnberger.

Für Vielfalt setze sich der FC Energie bereits seit 2015 ein, hebt Matthias Auth hervor. »Wir haben Flüchtlinge ins Stadion eingeladen.« Der FC Energie übernehme Verantwortung, sei aber nicht für alles verantwortlich, meint er. Auth ärgert sich, dass es Ende Januar negative Schlagzeilen gab. Der Sender rbb hatte berichtet, dass rechte Ultras von »Inferno Cottbus« weitermachen und die Fanszene mit rabiaten Methoden zu dominieren versuchen. Eigentlich hatte sich die Vereinigung »Inferno Cottbus« 2017 aufgelöst und war damit einem Verbot zuvorgekommen. Über die Schlagzeilen beschwert sich Auth mit den Worten, die hätten »nichts genutzt, sondern geschadet«. Derweil schüttelt der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr (LINKE) den Kopf, weil Auth immer allgemein von »Extremisten« oder »Demokratiefeinden« spricht. »Man sollte klar Rechtsextremisten sagen oder Neonazis oder Faschisten«, kritisiert Loehr. Denn mit Linksradikalen habe der Fußballclub nun wirklich überhaupt kein Problem.

Probleme mit Neonazis gibt es dagegen viele. Die von Staatssekretärin Lange angesprochene Mischszene besteht aus Hooligans, Kampfsportlern und Wachschützern, über denen eine neue Rechte schwebt, die zunehmend professionell und durchaus klug agiert. Das fällt nicht aus dem Rahmen. Dieses Phänomen gebe es europaweit, erläutert Verfassungsschutzchef Nürnberger. Eine rechte Szene mit einem harten Kern von 170 Personen sei allerdings auch für brandenburgische Verhältnisse viel. Ein »braunes Nest« sei das rund 100 000 Einwohner zählende Cottbus dennoch nicht. Die Demokraten seien klar in der Mehrheit.

Der Geheimdienst bietet dem Fußballclub an, das am Stadion der Freundschaft eingesetzte Sicherheitspersonal zu durchleuchten, damit Klarheit herrscht, ob Neonazis dabei sind. Der FC Energie ist hierfür zunächst darauf angewiesen, dass die angeheuerte Wachschutzfirma eine Liste der Leute freiwillig herausgibt. Für die Zukunft wolle man das vertraglich vereinbaren, heißt es.

Auch die Stadt Cottbus will sicherstellen, dass sie selbst oder kommunale Unternehmen als Sicherheitsdienst keine Neonazis anheuern. Das will die Linksfraktion demnächst im Stadtparlament beantragen. CDU-Ordnungsdezernent Bergner begrüßt das und rechnet mit einem einmütigen Beschluss.

Doch das Ziel zu erreichen, sei gar nicht so einfach, bedauert der Landtagsabgeordnete Loehr. Denn die Wachschutzbranche in der Region sei dermaßen von der rechten Szene unterwandert, dass es kaum seriöse Firmen gebe. Um den Durchblick nicht zu verlieren, wolle die Linksfraktion vorschlagen, dass die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen nicht mehr zulässig sein soll.

Am Ende des Termins gewährt der Ordnungsdezernent verschiedenen Kamerateams Interviews. Auch ein Mikrofon von Compact TV wird ihm unter die Nase gehalten. Der Kanal gehört zum »Compact«-Magazin des vom Marxisten zum Rechtspopulisten gewendeten Journalisten Jürgen Elsässer. Verfassungsschützer Nürnberger weiß natürlich, um wen es sich handelt. Er gibt Compact TV kein Interview. Aber die haben ihn auch gar nicht um eins gebeten, sagt er.

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