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Barbaren im tiefen Wald
»Zornfried« von Jörg-Uwe Albig ist ein legerer Blick ins finstere Herz der Neurechten
Inmitten des dunklen Buchenwaldes liegt im Spessart die Burg Zornfried. Hier residiert der Burgherr Schierling nebst Sippe und gleichgesinnten Kämpfern der Neuen Rechten. Auf Zornfried findet auch der völkische Dichter Storm Linné ein trutziges Obdach. Linnés Dichtung, ich nenne sie der Einfachheit halber Nazilyrik, ist ein stranger Mix aus »Landser«, Stefan George, Stahlgewitter und Heino auf Futschi (für die Nichteingeweihten: ein gruseliger Mix aus Cola und Weinbrand).
Auf Zornfried inszenieren Waldgänger, Wolfsnarren und anderweitige Grind-Figuren des Deutschtums Linné als aufgebrachtes Genie, als Propheten froher Zukunft. Indes grausig der Kauz wimmert, ergehen sich die Herren und Damen im Heraufbeschwören einer neuen Zeit. Die Viertelnazis, teilweise mit Bauch, wirken wie ein Haufen halb wild gewordener und stolpernder Pantoffelträger, die im Rauschen der Wälder endgültig ihren personal Adolf finden wollen.
Ein Journalist der »Frankfurter Nachrichten« namens Jan Brock ergattert den Auftrag, über die rechte Truppe fürs Feuilleton zu berichten. Er macht sich auf den Weg gen Zornfried und findet in der Nähe einen Gasthof, der ein wenig an jenen aus Polanskis »Tanz der Vampire« erinnert. Vom Gasthof begibt er sich täglich auf Pirsch, um für das bürgerliche Feuilleton fängisch die Nazis und ihren dichtenden Messias zu stellen.
Frei nach dem »Spiegel«-Motto, was es gibt, darüber muss ich schreiben, scheitert Brock zunehmend am knorrigen Burgbesitzer Schierling und seiner zähen Sippe, die ihm nicht so recht über den Weg trauen. Die Sache beginnt sich zu ziehen. Einmal sieht Brock den Dichter Linné aus der Ferne beim Betrachten holder deutscher Blümelein. Der Dichter, was spricht er (zu den Blumen)? Wir wissen es nicht.
Nachdem Brock von einer blutjungen und begeisterungsfähigen Lokaljournalistin rechts überholt wird, harrt der Journalist trotzdem störrisch weiter aus, um der Bestie irgendwie nahezukommen.
Aber nein! Indes er zunehmend vom lyrischen Lockstoff Linnés verzaubert scheint, rückt er trutzig näher an die Freunde deutschen Denkens heran.
Während die deutsche Buche stoisch bleibt, wartet der Frankfurter Blätterwald auf die feuilletonistische Sensation aus der Feder Brocks. Ist es eine Schreibblockade, erliegt der Journalist vielleicht dem ernsten Charme des »ethischen Kollektivs« der nationalen Waldschrate?
Vielfältig sind die Anspielungen, bis plötzlich ein Hochsitz im Buchenwald die Geheimnisse der deutschesten aller deutschen Seelen offenbart. Die journalistische Frechheit hat in Deutschland keine Macht? Von wegen!
Jörg-Uwe-Albig, im Nebenberuf Journalist für die »Süddeutsche Zeitung« und andere Blätter, legt eine fein geschliffene Schurre bis Persiflage über neurechte Bewegungen und ihre Adepten aus der Identitären Bewegung vor. Auch das muntere Treiben der Journaille (immer auf der Jagd nach dem neusten großen Ding und vor nichts haltmachend) bekommt ordentlich eine drübergezogen. Insbesondere die Ausflüge der Mitarbeiter großer Medien in die ostdeutsche Provinz, speziell in das »Rittergut« genannte Heim eines rechtsradikalen Verlegers und Vortragsredners aus dem Schwabenland, sind in lachhafter Erinnerung geblieben.
Eine vornehme Langnovelle auch über Moral im Journalismus oder das, was wir dafür halten, ein legerer Binnenblick ins finstre Herz der Neurechten, ein Kurzroman mit Drive über die positiven Seiten des Übermuts (Vorsicht, Halbspoiler! Mit Bezug auf das »schicksalhafte« Finale des Dichters Storm Linné).
Jörg-Uwe Albig: Zornfried. Klett-Cotta, 159 S., geb., 20 €.
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