Netanjahu wittert »Hexenjagd«

Der israelische Regierungschef wehrt sich vehement gegen Anklageerhebung.

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Teure Geschenke im Wert von mehr als 200.000 Euro sollen Benjamin Netanjahu, seine Frau Sara und sein Sohn Ja’ir von Milliardären erhalten haben. Als Gegenleistung soll der Premier versucht haben, Steuervergünstigungen, ein Visum für die Vereinigten Staaten und kartellrechtliche Ausnahmegenehmigungen zu beschaffen. Die meisten dieser Ansinnen scheiterten aber am Widerstand von Verwaltungsbeamten. Dem Verleger Amnon Moses, der die landesweit größte Tageszeitung »Jedioth Ahronoth« sowie die Nachrichtenportale ynet.co.il und ynetnews.com herausgibt, soll er ein Gesetz versprochen haben, das die Verbreitung von Gratiszeitungen einschränkt. Gegenleistung: eine freundlichere Berichterstattung.

Nun also hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit gegen Netanjahu Anklage erhoben. Als nächstes folgt ein Vorverfahren, in dem entschieden wird, ob die Beweise eine Anklage rechtfertigen. Danach wird entweder eine Vereinbarung ausgehandelt, die Schuldanerkenntnis und Strafmaß beinhaltet, oder das Hauptverfahren eröffnet. Es ist das erste Mal, dass in Israel ein amtierender Regierungschef angeklagt wird. Zwar wurde auch gegen Ehud Olmert ermittelt, der lange Zeit Netanjahus Likud angehörte. Doch Olmert, der eine 16-monatige Haftstrafe antreten musste, resignierte 2008 bereits vor der Anklageerhebung. Nicht so Netanjahu: Hatte er damals als Oppositionsführer Olmerts Rücktritt gefordert, weigert er sich nun vehement, selbst zurückzutreten.

Kurz nachdem Staatsanwalt Mandelblit seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, trat Netanjahu live vor die Kameras. Er betonte seine »Freundschaft« zu US-Präsident Donald Trump, seine guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und sprach dann von einer »politischen Hexenjagd« mit dem Ziel, die Linke an die Macht zu bringen. Sein Wahlkampfteam schaltete derweil noch einen Gang höher: Jeder Rechte müsse nun für Netanjahu oder einen seiner Verbündeten stimmen, um den »Putsch der Linken« zu verhindern, ließen Likud-Wahlkämpfer verlauten. Die Vorwürfe würden vor Gericht »in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus«.

Denn am 9. April wird vorzeitig ein neues Parlament gewählt. Ein Bündnis aus drei ehemaligen Generalstabschefs und der zentristischen Zukunftspartei des früheren Journalisten Ja’ir Lapid liegt derzeit in den Umfragen vor Netanjahus Likud. Der hatte massiv eingebüßt, nachdem man einen Deal durchgesetzt hatte, welcher der rechtsextremistischen, rassistischen Kleinpartei Otzma Jehudith den Einzug ins Parlament sicherte. Das ging auch für viele israelische Siedler in den palästinensischen Gebieten zu weit.

Denn während sich die rechten Parteien demonstrativ hinter Netanjahu stellten, war die Meinung sonst eindeutig: Netanjahu muss zurücktreten. »Ich erwarte, dass private rechtliche Probleme außerhalb des Büros des Regierungschefs geklärt werden«, sagte Benny Gantz, Chef der Blau-Weiß-Liste und Netanjahus schärfster Konkurrent: »Sollte sich am Ende Ihre Unschuld herausstellen, können Sie erhobenen Hauptes in die Öffentlichkeit zurückkehren.«

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