- Politik
- Frauenstreik
Ein anderer Journalismus ist möglich!
»nd« dokumentiert den Aufruf von Journalistinnen zum internationalen Frauenkampftag
Am 8. März 2019 werden Frauen und Queers weltweit streiken. Die Streikenden setzen sich gegen all die Formen von Unterdrückung und Ausbeutung zur Wehr, die Frauen betreffen: weil sie übermäßig häufig prekär beschäftigt sind – etwa in Teilzeit oder im Niedriglohnbereich; weil sie sexualisierte und körperliche Gewalt und Belästigung erfahren; weil sie von klein auf mit massiv abwertenden Geschlechterbildern konfrontiert sind; weil von Frauen erwartet wird, den Großteil der Hausarbeit, Familienpflege und Kindererziehung unbezahlt zu leisten. Und nicht zuletzt, weil sie sich dagegen wenden, dass einige Wenige sich ihre Arbeit aneignen und zugleich patriarchale Machtverhältnisse am Leben halten. Ihre Arbeit ist für den Staat und die Unternehmen unersetzlich: Wenn Frauen und Queers all ihre bezahlte und unbezahlte Arbeit niederlegen, steht die Welt still!
Wir wollen den Streik unterstützen und daher ebenfalls am 8. März unsere Arbeit niederlegen. Als Medienschaffende haben wir die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. Wir stehen mit diesem Aufruf für die Forderungen aller streikenden Frauen und Queers am 8. März ein und wollen zudem die bestehenden Ungleichheiten in unserer eigenen Branche sichtbar machen. Die schlechte Bezahlung und hohe Belastung in der Medienbranche trifft Frauen in
besonderem Maße. Als Frauen leisten wir zusätzlich zu unserer bezahlten Arbeit wesentlich mehr unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit als Männer. Auch wir Journalistinnen sind auf allen Ebenen benachteiligt: als Festangestellte, als freie Mitarbeiterinnen, als Mütter und unbezahlte Hausarbeiterinnen.
Im Medienbereich gibt es wie in allen anderen Bereichen strukturellen Sexismus: Er offenbart sich in sexistischen Sprüchen, die Einzelnen von uns signalisieren, dass sie nicht ernst zu nehmen seien, in männerbündischen Netzwerken auch in unserer Branche, der Abwertung unserer Themen, der Geringschätzung unserer Arbeit, niedrigeren Honoraren und Gehältern oder auch darin, wer befördert wird. Auch Belästigung und Gewalt im Arbeitskontext gehören für viele von uns zur »Berufserfahrung«. Hinzu kommt die Arbeitsverdichtung, die Redaktionen und Freie zunehmend in Zeitnot bringt.
Wir bestreiken am 8. März Arbeits- und Geschlechterverhältnisse im Journalismus
und fordern ohne Wenn und Aber:
- das Ende der Lohndiskriminierung: Abseits von Symbolpolitiken und zahnlosen Tigern wie dem Entgeltgleichheitsgesetz fordern wir umfassende Transparenz bei Gehalts- und Honorarverhandlungen – sowohl für Festangestellte in unterschiedlichen Positionen als auch für freiberufliche Journalistinnen.
- Gewalt als strukturelles Problem zu behandeln: Laut einer Umfrage von 2015 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kennen 60 Prozent der befragten Personalverantwortlichen und Betriebsrät_innen keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen beziehungsweise ihrer Verwaltung; in fast der Hälfte der Betriebe gibt es keine Beschwerdestelle für diese Fälle. Wir fordern von den Gewerkschaften, den Einsatz gegen Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz zum Gegenstand von Tarifverhandlungen machen.
- Arbeitszeitverkürzung: Als Frauen tragen Journalistinnen weiterhin die Hauptlast in der Haus- und Fürsorgearbeit. Wir fordern daher Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
- Durchsetzung der Tarifbindung: Wir fordern eine generelle Tarifbindung für Journalist_innen und damit verbunden ein Ende des Ausspielens von oft noch prekäreren Freien, die als Druckmittel genutzt werden, damit Kolleg_innen Verträge mit schlechteren Konditionen annehmen.
- Gute Arbeit auch in Haushalt und Fürsorge: Wir fordern eine öffentliche Infrastruktur mit ausreichenden und hochwertigen Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten, Horten und Ganztagsschulen, damit Kolleginnen, die Kinder haben und/oder Angehörige versorgen, entlastet werden.
- Outsourcing zu beenden: Damit wir als Journalistinnen überhaupt arbeiten können, brauchen Medienhäuser Reinigungspersonal, Kantinenpersonal, Gebäudesicherheit und Menschen am Empfang. Zusteller_innen bringen die gedruckte Zeitung zu den Leser_innen. Beschäftigte in diesen Bereichen werden immer häufiger outgesourct und verdienen besonders wenig. Doch unsere Kämpfe sind nicht begrenzt durch unsere Position in einem Gebäude; wir gehören alle zusammen. Wir fordern die Eingliederung von outgesourctem Personal in die jeweiligen Unternehmen.
- feministischen Journalismus: Wir fordern einen Ausbau der Strukturen für guten Journalismus! Das heißt: Schluss mit Geschlechterstereotypen in den Medien und dem Desinteresse gegenüber Problemen, die Frauen betreffen, Schluss mit der inhaltlichen Verflachung. Gegen Ignoranz und Einzelkämpfertum, gegen elitären Journalismus! Für einen anderen, feministischen Journalismus!
Unterzeichnerinnen
- Katharina Alexander, ze.tt
- Kersten Artus, freie Journalistin
- Maayan Z. Ashash, freie Journalistin
- Jennifer Beck, Missy Magazine
- Cornelia Berger, Geschäftsführerin der der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
- Marion Bergermann, neues deutschland
- Birthe Berghöfer, freie Journalistin, Auslandsreporterin in Schweden
- Edna Bonhomme, freie Journalistin
- Melina Borčak, freie Journalistin und Filmemacherin, Deutsche Welle-Korrespondentin für Bosnien
- Johanna Bröse, re:volt magazine
- Maike Brülls, taz
- Susanne Brust, Lateinamerika Nachrichten
- Kathrin Buchner, PULS, Bayerischer Rundfunk
- Teresa Bücker, EDITION F
- Mareen Butter, freie Journalistin
- Haidy Damm, neues deutschland
- Dimitra Dermitzaki, freie Journalistin
- Sarah Diehl, freie Autorin und Aktivistin
- Inga Dreyer, freie Journalistin
- Hannah Eberle, analyse & kritik
- Astrid Ehrenhauser, freie Journalistin
- Helke Ellersiek, freie Journalistin
- Lea Fauth, freie Journalistin, Lateinamerika Nachrichten
- Vanessa Fischer, neues deutschland
- Marie Frank, neues deutschland
- Jana Frielinghaus, neues deutschland
- Julia Fritzsche, freie Journalistin und Autorin
- Sonja Gerth, CIMAC Mexiko
- Tina Groll, Zeit Online, Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
- Jelena Gučanin, freie Journalistin
- Malene Gürgen, taz
- Eva Gutensohn, freie Journalistin, SWR, Radio Dreyeckland
- Marlene Halser, taz
- Magdalena Handerek, freie Journalistin / Berlin po polsku
- Patricia Hecht, taz
- Florence Hervé, freie Journalistin
- Kathrin Grünhoff, Bayerischer Rundfunk
- Mareice Kaiser, ze.tt
- Jasmin Kalarickal, taz
- Caroline Kassin, Lateinamerika Nachrichten
- Mina Khani, freie Journalistin, Bloggerin, 6RANG
- Caroline Kim, Lateinamerika Nachrichten
- Janne Knödler, Süddeutsche Zeitung
- Elsa Koester, Freitag
- Chris Köver, Netzpolitik und Missy Magazine
- Claudia Krieg, analyse & kritik
- Anja Krüger, taz
- Ulrike Kumpe, neues deutschland
- Șeyda Kurt, ze.tt
- Juliane Lang, freie Journalistin
- Lotte Laloire, neues deutschland
- Anna Lehmann, taz
- Alina Leimbach, neues deutschland
- Alexandra Martini, freie Journalistin, Bayerischer Rundfunk
- Anna Mayrhauser, Missy Magazine
- Caren Miesenberger, freie Journalistin
- Johanna Montanari, freie Journalistin
- Katja Musafiri, taz und Missy Magazine
- Samuela Nickel, neues deutschland
- Carmela Negrete, freie Journalistin
- Laila Oudray, freie Journalistin
- Rebecca O’Dwyer, freie Journalistin
- Dinah Riese, taz
- Eleonora Roldán Mendívil, Lower Class Magazine und freie Journalistin
- Mithu Sanyal, freie Journalistin und Autorin
- Nadine Schildhauer, freie Journalistin
- Eva Schmid, freie Layouterin, Jungle World
- Nina Scholz, freie Journalistin
- Andrea Schöne, freie Journalistin
- Beke Schulmann, NDR Info Hannah Schultes, analyse & kritik
- Krystyna Schreiber, freie Journalistin
- Beate Schwartau, u.a. freie Journalistin und Vorstandsmitglied der freien Journalistinnen und Journalisten bei ver.di
- Ines Schwerdtner, Ada Magazin
- Katharina Schwirkus, neues deutschland
- Bahar Sheikh, analyse & kritik und Missy Magazine
- Leonie Sontheimer, collectext
- Margarete Stokowski, freie Journalistin, Spiegel Online
- Barbara Streidl, freie Journalistin, Bayerischer Rundfunk
- Lea Susemichel, an.schläge
- Miriam Suter, freie Journalistin, NZZ, WOZ
- Regine Tams, freie Journalistin
- Eva Tepest, freie Journalistin
- Ann-Kristin Tlusty, ZEIT ONLINE
- Meşale Tolu, freie Journalistin
- Johanna Treblin, neues deutschland
- Nelli Tügel, neues deutschland
- Margarita Tsomou, Missy Magazine, HAU Hebbel am Ufer
- Hannah Vögele, freie Journalistin
- Sylvia Vogt, Tagesspiegel
- Anna-Maria Wagner, Medien- und Diversityexpertin
- Ulrike Wagener, neues deutschland
- Ingrid Wagner, freie Radiojournalistin und Autorin
- Julia Wasenmüller, Lateinamerika Nachrichten
- Tanja Wassiljev, Lower Class Magazine
- Eva Werner, freie Journalistin
- Carolin Wiedemann, freie Journalistin
- Heike Reich, Zündfunk
- Olga Wolf, Perspektive Online
- Mag Wompel, Redakteruin labournet
- Claudia Wrobel, freie Journalistin
- Hengameh Yaghoobifarah, Missy Magazine
- Chandrika Yogarajah, freie Journalistin
- Vina Yun, freie Journalistin und Redakteurin
- Milan Ziebula, freie Journalistin bei collectext
- Maike Zimmermann, analyse & kritik
- Erica Zingher, freie Journalistin
- Lou Zucker, neues deutschland und collectext
Wer diesen Aufruf unterzeichnen möchte, meldet sich bitte mit Name und Medium unter: journalistinnenstreik@gmail.com
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.