Extrem verkehrsberuhigt
Sachsens Grüne fordern das Ende der Investitionen in die Elbe als Frachtroute
Die Häfen an der Elbe in Sachsen florieren. 1,87 Millionen Tonnen Güter wurden im Jahr 2018 in Riesa, Torgau und Dresden umgeschlagen. Dieses Frachtvolumen trug dazu bei, dass die Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO) einen Rekordumsatz von 21 Millionen Euro verbuchte. Fast scheint es, als sei der Fluss ein attraktiver Verkehrsweg.
Aber: Nur gut 107 000 Tonnen wurden auch auf Schiffe verladen - ein Anteil von mageren 5,7 Prozent. Der große Rest wurde auf Straße und Schiene transportiert. Der reale Umsatzanteil der Transporte auf dem Wasser dürfte deshalb bei nur einer Million Euro liegen, sagt Wolfram Günther, Fraktionschef der Grünen im sächsischen Landtag. Und die Häfen, fügt er an, »sind eigentlich keine Häfen mehr.«
Einst hatten Verkehrspolitiker große Hoffnungen in die Elbe als Bundeswasserstraße gesetzt. Im letzten Jahr des Bestehens der DDR waren 9,5 Millionen Tonnen Fracht auf dem Fluss befördert worden. Als nach der deutschen Wiedervereinigung ein erster Bundesverkehrswegeplan auch für die Transportrouten im Osten des Landes erstellt wurde, rechnete man damit, dass sich die Menge bis 2010 auf 23 Millionen Tonnen verdoppeln könnte. Tatsächlich waren es 2017 aber nur 0,2 Millionen Tonnen - ein Prozent des erwarteten Frachtvolumens. Günther konstatiert: »Es findet faktisch nichts statt.«
Grund dafür ist, dass die Elbe kein zuverlässiger Verkehrsweg ist. Eigentlich soll ihre Fahrrinne an 345 Tagen im Jahr mindestens 140 Zentimeter tief sein. So sieht es ein »Gesamtkonzept Elbe« vor, auf das sich Politik, Wirtschafts- und Umweltverbände vor einigen Jahren geeinigt haben. Doch diese Werte werden regelmäßig verfehlt, teils wegen Trockenheit, teils wegen Hochwasser. Zwischen 2014 und 2018 wurde das Ziel an 40 Prozent der Tage nicht erreicht, sagt Iris Brunar vom Elbeprojekt des Naturschutzverbandes BUND. Der Verkehr kam wiederholt für Wochen zum Erliegen.
Daran wird sich nach Überzeugung des BUND nichts ändern. Eine Verlagerung von Verkehr auf den Fluss sei bisher nicht erreicht worden, »trotz erheblicher Anstrengung«, sagt Brunar. Zahlen des Bundes zufolge wurden von 1996 bis 2006 rund 600 Millionen Euro in den Ausbau investiert. Ein leistungsfähiger Verkehrsweg sei die Elbe dennoch nicht »und wird es auch nicht mehr werden.«
Umweltpolitiker plädieren daher dafür, nicht mehr in die Elbe als Frachtroute zu investieren. »Man soll schlechtem Geld kein weiteres hinterher werfen«, sagt Günther. Er drängt stattdessen darauf, einen anderen Wirtschaftsfaktor am Fluss zu stärken: den Tourismus. Schätzungen zufolge sorgt der Radweg entlang der Elbe, der seit Jahren die beliebteste Radroute in Deutschland ist, für Umsätze von 160 Millionen Euro. Das ist ein Vielfaches dessen, was Sachsens Hafenbetreiber auf dem Wasserweg erwirtschaften. Die Touristen schätzten an dem unverbauten Fluss etwa einzigartige Sandstrände, sagt Günther - und merkt an, dass diese zur Stabilisierung der Fahrrinne teils aufwendig geschottert würden: »Man kann auch mit viel Geld ein Potenzial zerstören.«
Für eine gigantische Fehlinvestition halten Umweltpolitiker zudem eine geplante Staustufe im tschechischen Děčín, nur wenige Kilometer von der sächsischen Grenze entfernt. An dem Projekt wird seit 25 Jahren gearbeitet. Es würde erhebliche Eingriffe in wertvolle und streng geschützte Naturräume bedeuten, sagt Brunar. Ausgleichsmaßnahmen seien in Tschechien selbst nicht möglich. Daher will die Regierung in Prag die EU-Kommission dazu bewegen, eine Kompensation in einem anderen Mitgliedsstaat der EU zu erlauben. Der BUND lehnt das strikt ab und fordert, das Vorhaben zu beerdigen - zumal der Bau nichts an der unzureichenden Schiffbarkeit auf den weiteren 750 Flusskilometern bis zur Mündung der Elbe in die Nordsee ändern würde.
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