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»Das ist wie AfD-Propaganda«
Netzwoche: Warum »Bild Politik« ein Magazin ist, dass eigentlich niemand wirklich braucht
Erst vor Kurzem gab die Funke Mediengruppe bekannt, ihr Druckhaus in Essen zu schließen und etwa 140 Mitarbeiter auf die Straße zu setzen, darunter 20 Redakteure aus der Berliner Zentralredaktion. Bei DuMont gibt es Planspiele, dass Regionalzeitungsgeschäft komplett zu verkaufen. Die »taz« überlegt, wie sie in den nächsten Jahren ihr tägliches Geschäft von Print auf Online umstellt und ihr Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch erklärt: »Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter.« Mit dieser Einschätzung steht Ruch in der Verlagsbranche nicht allein da.
Und was machen die Kollegen bei Springer? Als müsste man ein trotziges Statement gegen Medienkrise und -wandel setzen, bringt der Verlag seit Februar mit »Bild Politik« ein neues wöchentliches Printmagazin heraus.
Verlegerisch ein mutiges Experiment, angesichts der Tatsache, dass die meisten wöchentlich erscheinenden Politmagazine mit ähnlichen Problemen wie der Tageszeitungsmarkt kämpfen und die Konkurrenz mit etablierten Namen wie »Spiegel«, »Stern«, »Focus«, der »Zeit« oder »Freitag« groß ist.
Das Risiko ist Springer bewusst: Um mögliche finanzielle Verluste während der Testphase überschaubar zu halten, liegt »Bild Politik« zunächst auch noch nicht bundesweit an den Kiosken aus, sondern beschränkt sich abseits von der obligatorischen Digitalausgabe auf eine analoge Verbreitung in Norddeutschland.
Die Aufteilung der Ressorts gibt einen Hinweis, welche Käufergruppen angesprochen werden sollen. Statt klassischer Rubriken wie »Inland«, »Ausland« oder »Kultur« gliedert sich das Blatt nach »Ärger«, »Neugier« und »Freude«. Emotionen zur Orientierung statt nüchterner Titel - und das in Zeiten, wo die AfD mit genau solch einer Distanzierung von Fakten Wahlerfolge feiert. »Bild«-Politikchef Nikolaus Blome beteuerte zum Start aber, dass es sich um ein »Analysemagazin« handelt, das auch kantige Meinungsstücke beinhalte, »an denen man sich reiben kann, wenn man anderer Meinung ist«.
»Bild Politik« macht mit den ersten Ausgaben inhaltlich sehr deutlich, an wen das Magazin adressiert ist. »Wer die Cover bislang erschienen vier Ausgaben in eine Reihe legt, gewinnt den Eindruck, als sei die Magazin-Extension auf den Kaufimpuls jener Zielgruppe ausgelegt, die vor allem einen publizistischen Frustableiter sucht«, schreibt Georg Altrogge auf meedia.de in einer ersten Bilanz des neuen Hefts.
Nun gehört es zweifelsfrei zum publizistischen Geschäft, Titelgeschichten inhaltlich zuzuspitzen, »Bild Politik« suggeriert allerdings den Zustand einer Republik, die kurz vor der Apokalypse steht. Aufmacher wie »Warum versagt unsere Regierung«, »Warum haben bei uns Täter mehr Rechte als Opfer?« und »Wie macht die ARD Politik mit dem Tatort?« reproduzieren eine Weltsicht, die das Magazin doch genauso gut aufbrechen und hinterfragen könnte, so Altrogge. In seiner Analyse kommt der Journalist zum vernichtenden Urteil, dass »Bild Politik« »geradezu penetrant« wie die tägliche »Bild« rieche, »die aber zur Kompensation durchaus mehr bietet als Frust und Ärger.« Das neue Magazin versuche, sich bei Populisten anzubiedern.
Offenbar ist dieser Versuch zumindest bisher nicht von großem Erfolg gekrönt, wie Marvin Schade ebenfalls für meedia.de auf Grundlage der ersten inoffiziellen Verkaufszahlen herausfand. Laut Branchenschätzungen liege »Bild Politik« an 2000 Verkaufsstellen mit insgesamt 40 000 Heften aus (Der Verlag selbst spricht von 20 000 Exemplaren), von denen aber lediglich 2500 bis 3000 Hefte pro Ausgabe verkauft würden. Altrogge vermutet daher, »dass sich die Zielgruppe der Frustrierten, die Zeitschriften als Mainstream- oder Merkel-Medien ablehnen und schon lange nicht mehr kaufen, durch Printtitel nicht in großem Maße« mobilisieren lassen.
Springer dürfte unterschätzt haben, dass der Magazinmarkt mit jener Zielgruppe, die »Spiegel« und Co. so gerne als »Systempresse« beschimpfen, sich nicht ohne weiteres von einem Medienkonzern erschließen lässt, der einerseits selbst auf die Attitüde als außerparlamentarische Opposition von rechts setzt, aber gleichzeitig seit Jahrzehnten fester Bestandteil der deutschen Medienlandschaft ist. Zumal Wutbürger und AfD-Wähler am Kiosk bereits aus einer Vielzahl von Angeboten wählen können, die sich explizit an eine rechte Leserschaft wenden und innerhalb dieser verschiedene Gruppen adressieren. Wer Krawall sucht, greift zum »Compact«-Magazin, wer die seriöse Verpackung rechter Standpunkte braucht, kauft die »Junge Freiheit«, den »Cicero« oder »Tichys Einblick«.
Ein Hamburger Kioskbesitzer, der das Magazin auslegt, brachte es gegenüber deutschlandfunk.de auf den Punkt: »Das ist wie AfD-Propaganda, oder? Guck mal: ›Warum versagt unsere Regierung?‹ Das hilft nur der AfD oder Rechtspopulisten!«
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