Knappe Mehrheit für Polizeigesetz

Die LINKE streitet über die geplante Verschärfung / Am Mittwoch entscheidet der Landtag

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Am kommenden Mittwoch um 15.25 Uhr will die rot-rote Koalition im Potsdamer Landtag eine Verschärfung des brandenburgischen Polizeigesetzes beschließen. Das wäre ein Novum, heißt es warnend in einem offenen Brief an die Linksfraktion. Es wird an die Abgeordneten appelliert, die Verschärfung abzulehnen. Formuliert wurde dieser Brief von Johannes König vom Bündnis gegen das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Unterschrieben wurde er von Mitgliedern und Sympathisanten der Linkspartei.

Die LINKE habe »aus ihrer Geschichte gelernt und Fehler aufgearbeitet«, heißt es in dem Schreiben. Gemeint sind die SED und als ihr Schild und Schwert das DDR-Ministerium für Staatssicherheit. Heute lehne die LINKE konsequent jegliche Einschränkung von Grundrechten ab und habe innenpolitisch ein Alleinstellungsmerkmal: Noch kein einziges Mal habe eine Linksfraktion in einem Parlament der Beschneidung von Freiheitsrechten zugestimmt.

Einen der Knackpunkte hat die LINKE in harten Verhandlungen mit der SPD quasi in letzter Minute noch aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) entfernen können. Es handelt sich um den Staatstrojaner, eine Überwachungssoftware, mit der Computer und Mobiltelefone unbemerkt durchsucht werden können. Der Einsatz des Staatstrojaners wird nun doch nicht zugelassen. Auch sollen Bürger jetzt wenigstens nach spätestens vier Tagen einen Pflichtverteidiger erhalten, wenn sie einfach mal vorsorglich bis zur vier Wochen weggesperrt werden, obwohl sie keine Straftat begangen haben.

Andere Zumutungen wie die elektronische Fußfessel hatte die LINKE schon vorher verhindert. Außerdem wird es in Brandenburg auch künftig praktisch nicht erlaubt sein, als Polizist Handgranaten in eine Menschenmenge zu werfen. Nur weil der Begriff Sprengmittel noch im Gesetz auftaucht, geistert das weiter durch kritische Stellungnahmen zum Polizeigesetzentwurf. Dabei wird übersehen, dass die Bedingungen für eine ausnahmsweise Verwendung von Handgranaten gegen Personen so eng gesteckt sind, dass der Einsatz damit unmöglich gemacht wird.

Der Linksjugend solid reicht dies allerdings nicht aus. Auch ohne den Staatstrojaner sei der Gesetzentwurf für die LINKE nicht tragbar. Denn der in Polizeigesetz eingefügte Abschnitt zur Terrorbekämpfung sei eine erhebliche Gefahr für die Freiheitsrechte. Der unklar formulierte Terrorismus-Begriff könne Klimaaktivisten, Fußballfans und jede beliebige, nicht weiße Person treffen, rügt solid-Landessprecherin Iris Burdinski. Eine LINKE, die dies mittrage, mache sich kurz vor der Landtagswahl am 1. September 2019 »unglaubwürdig«.

In diese Kerbe schlug auch ein Antrag für den Bundesparteitag am 22. und 23. Februar in Bonn. Der Bundesparteitag sollte die brandenburgische Linksfraktion auffordern, »kein neues Polizeigesetz mitzutragen, dass polizeiliche Befugnisse erweitert und Grundrechte abbaut«. Das wollten der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, Christine Buchholz und Niema Movassat, die den Antrag zusammen mit vielen anderen eingereicht hatten. In Bonn reichte die Zeit aber nicht aus, so dass dieser Vorstoß in den Bundesausschuss überwiesen wurde. Der hat nun am Sonntag mit 26 zu 16 Stimmen für den Antrag entschieden.

Andererseits empfahl der Landesvorstand am Wochenende mit 14 zu vier Stimmen, den Kompromiss mit der SPD anzunehmen. Am Ende hat das alles lediglich symbolischen Wert. Verpflichtet sind die 17 Abgeordneten formal nur ihrem Gewissen.

Es zeichnet sich ab, dass die Kompromisslösung vom Landtag beschlossen wird. Den zuletzt noch ausgehandelten Entschärfungen stimmte die Linksfraktion einmütig zu. Das heißt allerdings noch nicht, dass alle 17 Abgeordneten mit dem Endergebnis zufrieden sind und ihm ihren Segen geben. Nach nd-Informationen ist mit zwei Enthaltungen und einer Gegenstimme zu rechnen, die intern schon länger angekündigt sind und insofern unbeeinflusst von den Appellen und Briefen, die jetzt noch bei den Abgeordneten eintreffen.

In der SPD-Fraktion hat sich bisher niemand zu erkennen gegeben, der die noch verbliebenen Verschärfungen nicht mittragen will. Also dürfte das Gesetz mit einer knappen Mehrheit der rot-roten Koalition das Parlament passieren. SPD und LINKE haben zusammen 47 der 88 Landtagsmandate inne. Die bei den Freien Wählern ausgetretene und nunmehr fraktionslose Abgeordnete Iris Schülzke hat im Innenausschuss für die geplanten Änderungen am Polizeigesetz gestimmt. Tut sie das auch im Plenum, verschafft dies der Koalition noch etwas zusätzliche Luft.

Weit von sich weist der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) die Darstellung von Johannes König, es sei in Brandenburg ein Polizeigesetz geplant, das in Teilen seinem heftig umstrittenen

bayerischen Pendant gleiche. Schon der ursprüngliche Entwurf von Innenminister Schröter sei milder gewesen und diesen habe die LINKE in mehreren Schritten noch sehr erheblich entschärft, sagt Scharfenberg. Er nennt als Beispiel den Staatstrojaner und das heimliche Betreten von Wohnungen, die der Polizei nun doch untersagt bleiben. Der Abgeordnete kann außerdem noch eine lange Liste aufzählen, wo überall seine Partei die Pläne des Innenministers durchkreuzt hat, so dass nun etwas ganz anderes herausgekommen ist, als der Innenminister im vergangenen Jahr beabsichtigt hatte.

Noch enthalten ist beispielsweise eine längere der Aufbewahrungsfrist für Aufzeichnungen von Überwachungskameras.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

- Anzeige -
- Anzeige -