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Der identifizierbare Staatsvertreter

Verfassungsgericht in Sachsen-Anhalt muss über Kennzeichnungspflicht für Polizisten entscheiden

  • Hendrik Lasch, Dessau
  • Lesedauer: 4 Min.

In Köthen fand am 16. September einer der größten Polizeieinsätze der jüngeren Zeit in Sachsen-Anhalt statt. Ein junger Mann war bei einem Streit mit Flüchtlingen gestorben; nun gab es Demonstrationen von Rechts und Proteste dagegen. Die Polizei war mit über 1000 Beamten unterwegs. Videos von ihrem Einsatz aber gibt es nicht - bis auf ein paar Filmminuten vom späten Abend. Es sei, sagt Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Innenministerium, also »nicht so, dass bei Einsätzen von geschlossenen Einheiten durchgehend gefilmt wird«.

Von derlei Dauer-Filmaufnahmen geht indes die AfD aus - und argumentiert, solche Videos seien ausreichend, um eventuellen Verstößen von Polizisten am Rand von Demonstrationen zu belegen und diese zu identifizieren. Wobei es so etwas nach Ansicht der AfD ohnehin nicht gibt: »Üblicherweise«, heißt es in ihrer Klage beim Verfassungsgericht gegen die im Juni 2017 vom Landtag beschlossene Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, pflegten sich diese »in ihrer Dienstausübung nicht strafbar zu machen«. Dass sie nach dem Willen der Koalition aus CDU, SPD und Grünen nun trotzdem eine »taktische Kennzeichnung« auf den Uniformen tragen sollen, hält die AfD für verfassungswidrig. Die Beamten würden so »zu bloßen Objekten der Strafverfolgung degradiert«. Auch von einem ersten Schritt in den »totalitären Überwachungsstaat« ist die Rede.

Um die Frage, ob und wie Polizisten zu identifizieren sein müssen, gab es in Sachsen-Anhalt jahrelange Diskussionen. LINKE, Grüne und die SPD sprachen sich dafür aus; letztere hielt dazu 2012 sogar einen Mitgliederentscheid ab. Die CDU, mit der sie damals regierte, hielt wenig davon; Ministerpräsident Reiner Haseloff ließ sich zu der mindestens missverständlichen Äußerung hinreißen, »auch aus der deutschen Geschichte« halte er die »Kennzeichnungspflicht für Menschen schlicht und einfach für unerträglich und unakzeptabel«. Immerhin: Der CDU-Innenminister Holger Stahlknecht setzte 2011 durch, dass etwa Streifenbeamte Namensschilder tragen müssen. Die Kennzeichnungspflicht auch für Beamte in »geschlossenen Einheiten« bei Demonstrationen und Fußballspielen wurde erst spruchreif, nachdem 2016 eine neue Koalition gebildet wurde, in der auch die Grünen auf diesen Schritt drängten. Damit werde »der Rechtsstaat gestärkt«, sagt ihr Innenexperte Sebastian Striegel. Zieschang sieht die Kennzeichnung als Ausdruck stärkerer »Bürgerorientierung« der Polizei.

Polizeigewerkschaften lehnen den Schritt indes ab - auch wenn Beamte bei Demonstrationen keine Namensschilder tragen, sondern eine anonyme Kombination aus dem Kürzel ST und fünf Ziffern. Dennoch, sagt die AfD, sei eine Identifizierung einzelner Beamter möglich - was, sagen die Rechtspopulisten, zu Übergriffen von Linksextremisten auf Polizisten und deren Familien führe. Die Landesregierung erwidert, solche Angriffe seien bundesweit »empirisch nicht belegt« und in Sachsen-Anhalt bisher »nicht bekannt geworden«.

Die Klage beim Verfassungsgericht begründet die AfD mit der vermeintlich fehlenden Zuständigkeit des Landes. Die Kennzeichnung diene allein der Identifizierung zum Zweck einer »repressiven Strafverfolgung«, sagte in der mündlichen Verhandlung ihr Anwalt Wolfgang Heß. Die Zuständigkeit liege jedoch beim Bund. Dem scheint das Gericht nicht folgen zu wollen. Präsident Lothar Franzkowiak verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Regelungen zur »Vorsorge« für die Strafverfolgung den Ländern zustehen. Ohnehin gehe es nicht nur um eventuelle Straftaten, so Zieschang. Die Kennzeichnung solle Polizisten auch zum »regelkonformen Verhalten« animieren - wie die Pflicht, Dienstausweise zu tragen und gegebenenfalls vorzuzeigen, die von der AfD nicht in Frage gestellt werde. Auf die Nachfrage eines Richters, ob die Ausweispflicht nicht sogar weiter in die Rechte der Beamten eingreife als anonyme Nummern, verwies AfD-Abgeordneter Hagen Kohl nur auf die mögliche Gefahr von »Zahlendrehern und Ablesefehlern«, wodurch Beamte womöglich falsch identifiziert würden.

Das Gericht deutete an, vor allem zwischen einem möglichen Eingriff in die »informationelle Selbstbestimmung« der Beamten und einem dem entgegen stehenden »überwiegenden Interesse der Allgemeinheit« abwägen zu wollen. Worin das bestehen könnte, sagte CDU-Staatssekretärin Zieschang: Es gehe um »Abwehrrechte« des Bürgers gegenüber dem Staat und dessen Vertretern. Polizeieinsätze gingen oft einher mit Eingriffen in Grundrechte; in solchen Fällen hätten die Bürger »das Recht zu wissen, wer ihnen gegenüber steht«. Ein Urteil wird am 7. Mai verkündet.

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