Hobby-Denunziant fühlt sich gebrandmarkt

Der Abtreibungsgegner Yannic H. klagt gegen die Pro-Familia-Chefin - er will anonym bleiben

  • Folke Havekost
  • Lesedauer: 3 Min.

Darf der Name eines radikalen Abtreibungsgegners öffentlich genannt werden? Um diese Frage ging es am vergangenen Freitag vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg. Geklagt hatte Yannic H., der seit Jahren immer wieder Arztpraxen bei Staatsanwaltschaften anzeigt, weil diese auf ihren Webseiten über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs informiert hatten. H. berief sich dabei auf den umstrittenen Paragrafen 219a, der die Werbung für Abtreibung unter Strafe stellt. Verurteilten droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Bekannt wurde jüngst der Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt wurde, weil sie auf ihrer Website über medizinische Abbrüche informiert hatte. Kersten Artus, Vorsitzende der Hamburger Beratungsstelle Pro Familia und Journalistin, hatte in einer Twitter-Botschaft den vollständigen Namen des Abtreibungsgegners genannt und auch eine Porträtzeichnung des Denunzianten veröffentlicht. Yannic H. klagte daraufhin auf Unterlassung. Er wolle anonym bleiben, hieß es. In einem Interview mit der »taz« hatte H., der dort unter dem Pseudonym »Markus Krause« auftrat, erklärt, er durchforste in seiner Freizeit das Internet nach Arztpraxen, die Abbrüche anbieten: »Das ist halt so mein Hobby.«

H.s Anwalt argumentierte vor Gericht, die Nennung des vollständigen Namen seines Mandanten habe eine »Prangerwirkung« gehabt. H. selbst war nicht vor Gericht erschienen. »Die Auswirkungen für den Kläger sind massiv, auch gesundheitlich.« Der Anwalt sprach von »der Ausgrenzung eines Andersdenkenden«. Demgegenüber argumentierten die Anwälte von Kersten Artus: »Wer mit großem Aufwand im Internet forscht und überlegt, wie man Webseiten sperrt und darüber hinaus an die Öffentlichkeit geht mit Details aus seinem Privatleben«, sei durchaus ein Aktivist. »Das erweckt das Interesse an seiner Person.«

Die Richterin führte aus, dass H. durch seine Anzeigen gegen die Arztpraxen »eine weitreichende Öffentlichkeitsdiskussion angestoßen und verursacht« habe. Sie deutete an, dass die Kammer zum Ergebnis kommen könne, »dass seine Rechte zurückstehen müssten«. Die Richterin gab damit zu verstehen, dass die Veröffentlichung des vollständigen Namens angesichts der Umstände rechtens gewesen sein könnte. Anders verhalte es sich womöglich mit der veröffentlichten Porträtzeichnung von Yannic H.: »Es stellt sich die Frage, ob er die Veröffentlichung hinnehmen muss.« Die Richterin weiter: »Da ist die Kammer in einem Diskussionsprozess.«

Vor Beginn des Prozesses hatten sich zahlreiche Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen bei einer Kundgebung vor dem Ziviljustizgebäude mit Kersten Artus solidarisiert. Darunter waren auch die Ärztinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus, die H. ebenfalls angezeigt hatte. »Er beließ es nicht bei einer einzigen Anzeige«, berichtete Nora Szász. »Er forderte auch die Polizei auf, den betreffenden Server stillzulegen - er hat unser Leben verändert«. Kläger H. sei von einem »religiös-ideologischen Fanatismus geleitet«, so Szász. Sie sprach von »mutwilligen Diffamierungen«. Der Prozess gegen Nora Szász und Natascha Nicklaus liegt derzeit wegen der Debatte um die geplante Änderung des Paragrafen 219a auf Eis.

Die bereits verurteilte Kristina Hänel schilderte, wie es ihr ging, als sie die amtliche Vorladung bekam: »Plötzlich sollte ich zum Gericht; und am Ende steht Gefängnis darauf.« Hänel: »Da sitzt ein Mann vor seinem Computer und spielt und vernichtet damit unsere Existenz.« Ziel der Kampagne von H. und anderen Fundamentalisten sei es, Mediziner zu kriminalisieren: »Die wollen, dass immer weniger Ärzte Schwangerschaftsabbrüche anbieten.«

Das Urteil wird am 26. April verkündet.

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