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+++ Beerdigung von Neonazi Thomas Haller: Trauerkranz mit Reichsadler +++
Chemnitzer FC erstattet erneut Anzeige / Hunderte Hooligans versammeln sich für einen »Trauerzug« / Polizei: Gefährdungslage sei »schwer einzuschätzen«
Update 16:15 Uhr: Chemnitzer FC erstattet Anzeige
Der Fußball-Regionalligist Chemnitzer FC wird wegen der Verwendung des offiziellen Vereinslogos bei der Beerdigung des Neonazis Thomas Haller Strafanzeige erstatten. Dies teilte der Verein mit. Wie der Klub in einem Statement schreibt, seien am Montag bei der Zeremonie Vereinsembleme ohne Zustimmung des CFC im Zusammenhang mit Trauerbekundungen verwendet worden.
Der Klub hatte bereits am vergangenen Montag Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Grund sind Vorkommnisse rund um das Spiel gegen VSG Altglienicke (4:4) am 9. März, als unter anderem durch eine Pyro-Show und Banner des verstorbenen, rechtsradikalen Chemnitz-Fans Haller gedacht worden war. Den Trauerbekenntnissen sollen möglicherweise strafbare Handlungen vorausgegangen sein, um die vom normalen Prozedere abweichende Choreographie zu ermöglichen.
Update 15:32 Uhr: Trauerzug beendet
Etwa 1000 Menschen haben heute in Chemnitz am Trauerzug für den verstorbenen Neonazi Thomas Haller teilgenommen, darunter hunderte Hooligans und Anhänger der rechtsradikalen Szene. Inzwischen hat sich die Menge aufgelöst und ist in kleinen Gruppen in die Chemnitzer Innenstadt gezogen. Dort angekommen, berichten unsere »nd«-Kollegen vor Ort, seien etliche nun in mehrere Kneipen eingekehrt. Offiziell ist weiterhin für heute keine Veranstaltung angemeldet, aber die Erfahrung lehrt auch, dass dies der rechten Szene im Zweifel relativ egal ist.
Update 15:00 Uhr: Pegida-Vize in Chemnitz dabei
Die eigentliche Trauerfeier für den neonazi Haller ist vor wenigen Minuten beenedet worden. Hunderte Gäste verlassen die Kirche und das Friedhofsgelände. Etliche von ihnen wollen offenbar Richtung Chemnitzer Innenstadt ziehen. Unsere Kollegen vor Ort haben unter den Anwesenden auch Pegida-Vize Siegfried Däbritz ausgemacht.
Update 14.50 Uhr: »Hinterland für militante Neonazis«
Der Chemnitzer LINKEN-Politiker und Sprecher des Bündnisses »Chemnitz nazifrei«, Tim Detzner, hat eine klarere Haltung von Polizei und Staat gegenüber rechten Kräften in Chemnitz gefordert. Kurz vor der für Montag geplanten Beisetzung des Chemnitzer Ex-Stadionordners und Neonazis Thomas Haller hatte Detzner im Radioprogramm SWR Aktuell gesagt, bei vielen Verantwortlichen komme »immer wieder das Gefühl hoch, Chemnitz würde in eine negative Ecke gestellt«.
»Genau dort liegt das Problem, denn Chemnitz hat nun mal gefestigte Nazi-Strukturen seit Jahren«, sagte der LINKEN-Politiker. Die Stadt sei seit Jahrzehnten »das ruhige Hinterland für militante Neonazis, was auch die bundes- und europaweite Bekanntheit und Verankerung von Thomas H. zeigt«.
Update 14.35 Uhr: Reichsadler auf Trauerkranz
Wer sich zur Stunde bei der Trauerfeier für den Neonazi-Hooligan Haller trifft, ist mehr als unverkennbar. Unsere Kollegen haben unter anderem einen Trauerkranz entdeckt, auf dem ein schwarzer Reichsadler und das Eiserne Kreuz zu sehen sind. Anwesende Journalisten werden gezielt angesprochen, bedroht und von den angeblich Trauernden gefilmt. »Eure Zeit kommt noch«, soll ein Hool den Medienvertretern gedroht haben. Etliche Hooligans haben sich zudem vermummt.
Update 13.40 Uhr: Hunderte Hooligans nehmen an »Trauerzug« teil
Schätzungsweise etwa 1000 Menschen haben sich zur Stunde in Chemnitz zur Trauerfeier für den verstorbenen Neonazi Thomas Haller eingefunden. Während in einer Kirche die eigentliche Trauerzeremonie läuft, warten hunderte Hooligans vor und auf dem Friedhofsgelände. Unsere Kollegen vor Ort berichten, dass sich mehrere hundert Polizisten im Einsatz befinden, sich bisher aber im Hintergrund halten. Die Gefährdungslage sei »schwer einzuschätzen.«
Der »Trauerzug« war zuvor nicht angemeldet worden, die Polizei bewertet ihn als private Veranstaltung. Unsere »nd«-Kollegen vor Ort berichten, dass sich unter den Teilnehmern hunderte Hooligans befinden, aber auch etliche Menschen, die nicht auf den ersten Blick der rechten Szene zuzuordnen sind.
Offensichtlich gibt es in der Stadt aber noch deutlich mehr Sympathien für den verstorbenen Hooligan Haller. Vorbeifahrende Autofahrer recken den Daumen, während sie am Trauermarsch vorbeifahren.
Beerdigung von Neonazi Thomas Haller: Tausende Rechte erwartet
Chemnitz. Wegen der Beerdigung eines überregional bekannten Hooligans und Rechtsextremen rechnet ein antirassistisches Bündnis an diesem Montag in Chemnitz mit zahlreichen Personen aus der rechten Szene. »Aufstehen gegen Rassismus« erwartet, dass sich dabei mehrere Tausend Personen versammeln könnten. Dies sei eine Machtdemonstration nach dem Motto: Die Stadt gehört uns, sagte Gabi Engelhardt von dem Bündnis am Samstag am Rande der Demonstration zum Tag gegen Rassismus am Karl-Marx-Denkmal. Zugleich kritisierte sie die Stadt. »Wenn das Ganze als private Angelegenheit gesehen wird, muss man sich fragen, was in Chemnitz schief läuft«, sagte Engelhardt.
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Eine Traueraktion für Thomas Haller im Stadion des Regionalligisten Chemnitzer FC (CFC) gegen VSG Altglienicke (4:4) hatte vor Wochenfrist deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Haller war führender Kopf der früheren Vereinigung »HooNaRa« (Hooligans-Nazis-Rassisten). Er war mit dem CFC zeitweilig verbandelt gewesen, hatte dort den Ordnungsdienst geleitet.
Polizei bereitet Großeinsatz vor
Die Polizei bereitet sich nach eigenen Angaben auf einen größeren Einsatz in Chemnitz vor. »Wir sind bezüglich der Beisetzung des Verstorbenen und möglicher Begleiterscheinungen aufgrund der Reichweite des Verstorbenen im Bilde und stellen uns auf alle Eventualitäten ein«, sagte eine Sprecherin.
Nach Auskunft der Stadt ist für Montag keine Demonstration angemeldet. »Die Stadt Chemnitz hat Kenntnis über eine Trauerfeierlichkeit, die am Montag stattfindet. Weiteres sowie eine genaue Teilnehmerzahl kann nicht benannt werden, da es sich um eine private Angelegenheit handelt«, hieß es auf dpa-Anfrage aus dem Rathaus.
Kühnert kritisiert die Stadt Chemnitz
Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert kritisierte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, wie gleichgültig mitunter solche Ereignisse in der Stadt verfolgt würden. Es fehle an deutlichem Widerspruch und auch an der Courage derjenigen, die an Schalt- und Machtstellen in der Gesellschaft sitzen, sagte er am Rande eines Seminarwochenendes der SPD-Jugendorganisation in Chemnitz.
Es sei an Vorständen von Sportvereinen, von Wirtschaftsverbänden und ähnlichem, ihren Einfluss geltend zu machen und zu sagen: »Wir geben keinen Raum dafür, wir bieten keine Bühne, sondern wir organisieren im Gegenteil Widerstand dagegen«. Es fehle sonst eine Vorbildwirkung, die für viele Menschen wichtig sei, um zu sehen, dieses Engagement sei erwünscht, man gehöre zur Mehrheit und es sei anständig, auf die Straße zu gehen, sagte Kühnert. Agenturen/nd
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