- Berlin
- Diesel-Fahrverbote
Freie Fahrt mit Anliegen
Senat plant milde Diesel-Fahrverbote und drastisch weniger kostenlose Parkplätze
Ab 1. Juli werden in Berlin Diesel-Fahrverbote verhängt. »Genauer gesagt Durchfahrverbote«, sagt Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) am Montag. »Denn die Fahrzeuge dürfen ja generell weiterhin fahren.« Insgesamt 15 Straßenabschnitte mit 2,4 Kilometern Länge werden dann für Dieselfahrzeuge unterhalb der Norm Euro 6 tabu sein. Zumindest, wenn mit dem Fahrzeug kein Ziel angesteuert werden soll, das direkt im für die Durchfahrt gesperrten Abschnitt liegt.
Das geht aus dem Entwurf des neuen Luftreinhalteplans vor, für den am späten Montagnachmittag die öffentliche Beteiligung beginnen sollte, nach Redaktionsschluss dieser Seite. »Ziel des neuen Luftreinhalteplans ist es, die EU-weiten Grenzwerte für Stickstoffdioxid schnellstmöglich einzuhalten und so die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner zu schützen«, erklärt Günther.
- Durchfahrverbote für Dieselfahrzeuge bis inklusive der Norm Euro 5 wird es nach jetzigem Stand vor allem im Bezirk Mitte geben. Betroffen sind die Leipziger Straße zwischen Charlottenstraße und Leipziger Platz, die Brückenstraße zwischen Köpenicker und Holzmarktstraße, Teile der Reinhardtstraße sowie von Alt-Moabit und Stromstraße. Auf der Friedrichstraße wäre ein 58 Meter langer Abschnitt betroffen, hier wird noch überlegt. In Neukölln geht es um Teile der Hermann- und Silbersteinstraße, außerdem in Charlottenburg um 400 Meter des Spandauer Damms.
- Tempo 30 soll auf Teilen zahlreicher Hauptstraßen eingeführt werden. Unter anderem auf Badstraße, Danziger Straße, Elsenstraße, Hermannstraße, Invalidenstraße, Mariendorfer Damm, Martin-Luther-Straße, Mehringdamm, Müllerstraße, Residenzstraße, Sonnenallee, Spandauer Damm, Torstraße, Turmstraße und Wildenbruchstraße. nic
Aus freien Stücken führt der Senat die Diesel-Restriktionen nicht ein. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte im Oktober 2018 nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe entschieden, dass auf elf Abschnitten von acht Straßen zwingend Fahrverbote verhängt werden müssen. Für weitere 120 Abschnitte mit 15 Kilometer Länge müssten Maßnahmen geprüft werden, verlangte das Gericht. Da der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft auf den betreffenden Abschnitten bereits seit neun Jahren überschritten wird, setzten die Richter sehr enge Fristen. Der angepasste Luftreinhalteplan sollte Ende März verabschiedet werden. Daraus wird nichts, Regine Günther rechnet damit im Mai. Die Durchfahrverbote werden jedoch innerhalb des im Urteil festgesetzten Zeitplans verhängt. Es wurde rechtskräftig, nachdem der Senat auf eine Berufung verzichtet hatte.
Ganz glücklich ist Günther nicht mit den Konsequenzen. »Wir sind in dieser Situation, weil die Autoindustrie Dieselkäufer betrogen hat«, erklärt sie. Der »Königsweg«, eine Hardwarenachrüstung der betroffenen Modelle auf Kosten der Autoindustrie sei leider nicht eingeschlagen worden, bedauert sie.
Kein Fahrverbot soll es entgegen dem Gerichtsurteil auf dem Kapweg in Reinickendorf geben. »Sonst würden wir von einer Straße, an der niemand wohnt, Verkehr in Wohngebiete umlenken«, begründet Günther. Auf der Leonorenstraße in Lankwitz soll Tempo 30 in Kombination mit einer Verstetigung des Verkehrsflusses für sinkende Emissionen sorgen. Insgesamt soll auf 85 Straßenabschnitten mit 10,5 Kilometer Länge die Höchstgeschwindigkeit reduziert werden.
Viel einschneidender dürfte die geplante Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung sein. Parken soll auf 75 Prozent der Fläche innerhalb des S-Bahnrings künftig Geld kosten - derzeit sind es 40 Prozent. Alle Innenstadtbezirke außer Charlottenburg-Wilmersdorf seien dazu bereit, erklärte Günther. Die Senatorin verspricht sich einen regelrechten »Schneeballeffekt« davon: Die größere Zahl freier Parkplätze reduziere den Parksuchverkehr enorm - und damit die Luftbelastung. Gleichzeitig solle die Parkgebühr von durchschnittlich zwei Euro auf drei Euro pro Stunde angehoben werden.
Allerdings liegt die Umsetzung der »ambitionierten Maßnahme«, wie Günther sagt, in der Hand der Bezirke. Sie verspricht finanzielle Unterstützung für die nötigen Untersuchungen und den Kauf von Parkscheinautomaten. Ob die geplante Umsetzung innerhalb des Jahres 2020 zeitlich realistisch ist, muss sich zeigen. Obwohl die Anwohner nur 20,40 Euro Verwaltungsgebühr für einen zwei Jahre gültigen Parkausweis zahlen müssen, schlagen diese Maßnahmen meist hohe Wellen in den Kiezen.
Die vierte Säule des Plans für eine sauberere Luft ist die Nachrüstung kommunaler Fahrzeuge mit Stickoxidfiltern. Die BVG will bis Jahresende mit ihren Bussen durch sein, bei den Müllwagen hat die Umrüstung begonnen. Um die Leipziger Straße zu entlasten, soll die Buslinie M48 von Zehlendorf kommend, künftig am U-Bahnhof Mohrenstraße enden und nicht mehr den Alex erreichen. Ab dem Potsdamer Platz soll die neue Elektrobuslinie 300 übernehmen und weiter über Ostbahnhof bis Schlesisches Tor führen. »Ich finde die Maßnahme nicht zweifelhaft, wenn wir Elektrobusse haben und in der Lage sind, hoch belastete Straßen zu entlasten«, verteidigt Günther den Schritt.
Statt Fahrverboten fordern der ADAC und Wirtschaftsverbände in einer gemeinsamen Erklärung andere Maßnahmen, wie den Ausbau des Nahverkehrs, um die Grenzwerte einzuhalten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.