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Erpresser oder Kämpfer für die Wahrheit?
Der portugiesische Whistleblower Rui Pinto war die Quelle der Football Leaks. Er wird diese Woche aus Ungarn an sein Heimatland ausgeliefert
Sein Name ist nur den Wenigsten bekannt, doch die Daten, die er im Rhamen der »Football Leaks« enthüllt hat, lassen Funktionäre auf oberster Ebene des Weltfußballs erschauern. Rui Pinto, 30-jähriger Whistleblower aus Portugal, soll in dieser Woche aus Ungarn an sein Heimatland ausgeliefert werden. Das hat am Dienstag ein Berufungsgericht in Budapest entschieden. Pinto lebte und arbeitete in der Stadt als Antiquitätenhändler.
Am 16. Januar war er verhaftet worden, seither stand er unter Hausarrest. Dem Hobby-Hacker wird von der portugiesischen Justiz vorgeworfen, im Jahr 2015 Daten und E-Mails der zwei größten Lissaboner Fußballvereine Sporting und Benfica gehackt zu haben - Ausgangsmaterial für die Aufdeckungen im Rahmen des Football-Leaks-Skandals. Eine Reihe internationaler Medien enthüllte die dunklen Finanzpraktiken in der Welt des Fußballs - ausgeklügelte Steuerhinterziehungssysteme großer Akteure des Weltfußballs, wie beispielsweise der mächtige portugiesische Spielerberater Jorge Mendes oder die Versuche prominenter Klubs wie Manchester City oder Paris Saint-Germain, das »Financial Fair Play« der UEFA zu umgehen.
Nachdem beide Lissabonner Klubs Anzeige wegen Datendiebstahl erstattet hatten, schaltete sich noch ein dritter von den kompromittierenden Enthüllungen betroffener Akteur ein: Doyen Sports, ein in Malta ansässiger Fußball-Investitionsfond samt angeschlossener Spielerberatungsagentur, schickte Privatdetektive aus, um den Hacker zu identifizieren. Sie kamen schließlich auf die Spur des Budapester Hackers Pinto.
Noch vor der Enthüllung seiner Identität soll Pinto versucht haben, Doyen Sports und dessen portugiesischen Geschäftsführer Nelio Lucas zu erpressen. Unter dem falschen Namen Artem Lobuzov soll Pinto dem Geschäftsführer vorgeschlagen haben, Daten aus der Football-Leaks Plattform zu löschen - im Tausch gegen einen Betrag zwischen 500 000 und einer Million Euro. Dieser Artem Lobuzov, also Pinto, soll angedroht haben, bei Ablehnung noch weitere Daten zu veröffentlichen.
Wegen dieses Gebarens wird Rui Pinto heute von der portugiesischen Justiz Erpressung vorgeworfen. Pinto hingegen behauptet, er habe nur Wahrheitsgehalt und den Wert der gehackten Daten testen wollen: »Ich habe nie versucht, materiell von dem, was ich gemacht habe, zu profitieren. Ich habe all das getan für das Gut des allgemeinen Interesses und um damit die Korruption im europäischen Fußball zu enthüllen« sagte der Portugiese gegenüber dem öffentlich-rechtlichen belgischen Fernsehsender RTBF.
»Ich bin kein Hacker«, behauptete Pinto auch gegenüber dem Nachrichtenmagazin »Spiegel«. Er sich sehe als Whistleblower. Es gehe darum, Vorgänge offenzulegen, »die der Gesellschaft sonst verborgen blieben: Verbrechen, Missstände, Fehlverhalten«. Der Spiegel ist Mitglied des internationalen Konsortiums »European Investigative Collaborations«, das für die Enthüllungen der Football Leaks verantwortlich ist, vor allem dank der Beiträge Pintos. Diese Datendiebstähle und dieser Erpressungsversuch sind die Gründe seiner Verhaftung Mitte Januar in Budapest, nachdem er mit einem internationalen Haftbefehl gesucht worden war.
Rui Pinto soll nun in seinem Heimatland der Prozess gemacht werden. Er wird dabei nicht als Whistleblower betrachtet, sondern als Cyberkrimineller. Auch wenn die Europäische Kommission am 11. März ankündigte, dass eine Einigung über eine künftige Direktive über den Schutz der Whistleblowers erzielt wurde, die vor den kommenden europäischen Wahlen verabschiedet werden sollte, könnte der Fall Pintos eine Diskussion über die Rolle und die Wichtigkeit der Whistleblower in der heutigen Gesellschaft anstoßen.
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