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Republikaner wollen 500.000 Menschen das Wahlrecht nehmen
Gesetzesvorschlag würde ehemalige Straftäter betreffen / Progressiver Demokrat Andrew Gillum will eine Million Menschen als neue Wähler registrieren
Immer wieder Florida. Der Bundesstaat ist der größte Swing State bei den US-Präsidentschaftswahlen, entsprechend schmutzig wird hier gekämpft. Das neueste Kapitel im Kampf um Wählerunterdrückung und die Vorherrschaft im »Sushine State« beginnt dieser Tage. Nachdem die Wähler mit 64 Prozent Zustimmung bei einer Volksabstimmung zu den Zwischenwahlen im November den lebenslangen Ausschluss von ehemaligen Straftätern von allen Wahlen im US-Bundesstaat beendeten – eine Vorschrift aus den alten Jim-Crow-Südstaaten Zeiten, die viele Arme und Schwarze traf – torpedieren die Republikaner nun diese Entscheidung. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung oder 1,4 Millionen Menschen, deren Vergehen teils schon Jahre zurück lagen, sollten eigentlich dieser Tage ihr Wahlrecht zurückerhalten. Davon hätten vermutlich eher die Demokraten profitiert (die Forschung dazu zeigt gemischte Ergebnisse).
Nun will das republikanisch dominierte Staatsparlament ein neues Gesetz beschließen, wonach »alle Kosten der Aufsicht«, also laut Bürgerrechtsorganisation ACLU auch alle möglichen sonstigen Gerichtskosten und Kosten der Haft beglichen sein müssen, um das Wahlrecht zurückzuerhalten.
Das wird zu indirekter Wählerunterdrückung mittels dem Sähen von zusätzlicher Unsicherheit unter ehemaligen Straftätern, die es nicht gewohnt sind zu wählen führen. Auch ganz direkt wird es dazu führen, das nur ein Teil derer, die bis vor Kurzem vom Wählen ausgeschlossen waren wieder wählen können. Der Grund: In den USA gehen viele arme Menschen ins Gefängnis, nur weil sie Strafen nicht bezahlen oder verbleiben dort unnötig lange, weil sie Kautionszahlunge nicht leisten können. Das gleiche gilt für die Ableistung von Gerichtskosten nach Verbüßen der Haft.
Laut einer ACLU-Analyse könnten bis zu 540.000 Einwohner des Bundesstaates davon betroffen sein. Die Maßnahme der Republikaner sei eine »moderne Version der Kopfsteuer«, kritisierte die demokratische Kongressabgeordnete und Parteilinke Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter. Mit Kopfsteuern für jede Beteiligung an Wahlen hatten viele Südstaaten nach Abschaffung Sklaverei faktisch viele der mehrheitlich bitterarmen Schwarzen von der Beteiligung an Wahlen ausgeschlossen.
»Wenn Parlamentarier den Willen der Wähler verzerren, in dem sie die Rückerlangung von Bürgerrechten mit einem Preis versehen, dann ist das falsch und verfassungsfeindlich«, erklärte der bei der Gouverneurswahl in Florida im November mit 33.000 Stimmen nur knapp unterlegene progressive Demokrat Andrew Gillum. Der charismatische junge Schwarze will es den Parlamentariern nicht erlauben, »den Fortschritt zurückzudrängen«.
Er hat zusammen mit den 70.000 Unterstützern seiner Gouverneurswahlkampagne »Forward Florida« gegründet. Die neue Kampagne soll helfen, mehr Wähler für die Demokraten zu mobilisieren. In den Medien war immer wieder über eine mögliche Präsidentschaftskandidatur von Gillum spekuliert worden, der wie Beto O Rourke zur jungen, charismatischen Garde der Partei gehört.
Am Donnerstag erklärte Gillum dann, er wolle mit seiner neuen Initiative eine Million Menschen, die sonst wenig oder gar nicht wählen, für die Demokraten aktivieren und registrieren, um Donald Trump 2020 die Wiederwahl in Florida zu nehmen. Denn: Mit 29 Wahlmännern und -frauen ist Florida der wichtigste unter den wahlentscheidenden Swing States. »Donald Trumps größte Angst ist, dass wir in der Arbeiterklasse erkennen, das uns mehr eint, als uns spaltet«, erklärte Gillum in einem Interview mit Fernsehmoderator Bill Maher. Sein Vater war ein Bauarbeiter, seine Mutter Busfahrerin in Miami.
Weil es in den USA keine automatischen Wahllisten gibt, hat die Frage, wie viele Anhänger eine Partei sich registrieren lassen, einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl. Zusätzlich zu den 1,4 Millionen ehemaligen Straftätern gibt es drei Millionen nicht registrierte Menschen in Florida, mindestens eine Million davon will Gillums Kampagne erreichen. Auch die Demokratische Partei im südlichsten US-Bundesstaat erklärte, man wolle zusätzliche 200.000 Wähler registrieren. Man habe die Wählermobilisierung in den letzten Jahren vernachlässigt, gab Terrie Rizzo, Vorsitzende der Demokraten in Florida, zu.
Auch New Yorks Ex-Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg, der sich jüngst gegen eine eigene Präsidentschaftskandidatur entschieden hatte, will in den nächsten Monaten neue Wähler in Wechselwählerstaaten wie Wisconsin und Florida zu einer Registrierung bewegen und eine Kampagneninfrastruktur aufbauen. Diese soll dann dem künftigen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zur Verfügung stehen.
»Seid ihr bereit Florida und die USA umzudrehen?«, fragte Gillum in einer Rede an der Florida Memorial University im schwarzen Stadtteil Miami Gardens in Miami. Bei den Gouverneurswahlen gegen Trump-Republikaner Ron de Santis zu verlieren sei »schmerzhaft gewesen«. Aber es seien vor allem »arbeitende Menschen, die leiden, wenn wir Wahlen verlieren«, so Gollum. Flordia müsse beim »nächsten Mal«, bei den Präsidentschaftswahlen 2020 »liefern«.
Nur wenige Hunderttausend neue Wähler auf der einen oder anderen Seite könnten in zwei Jahren über Sieg oder Niederlage entscheiden. Donald Trump gewann Florida 2016 mit einem Vorsprung von 113.000 Stimmen. Aktuell gibt es 4,96 Millionen Demokraten, 4,7 Millionen Republikaner und drei Millionen Menschen, die als Unabhängige registriert sind. Doch der Vorsprung ist seit der Wahl Barrack Obamas 2008 deutlich gesunken. »Damals hatten wir 700.000 mehr Wähler, bei meiner Kampagne letztes Jahr war er steil gesunken auf nur noch etwa 260.000«, erklärte Gillum.
Der Wählervorteil ist wichtig, weil er einen anderen Nachteil ausgleicht. Die Wählerschaft der Demokraten besteht demografisch zu einem größeren Teil aus marginalisierten Gruppen, die nur dann wählen, wenn sie nicht durch Hürden davon abgehalten werden oder, wenn sie wirklich von einem Kandidaten begeistert sind. Im Gegensatz sind die durchschnittlich älteren und reicheren Wählern der Republikaner besonders im Rentner-Staat Florida verlässlichere Urnengänger.
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