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Etappensieg des Unterhauses
Britisches Parlament setzt Abstimmung über alternative Brexit-Szenarien durch
Das britische Unterhaus hat wenige Tage vor dem ursprünglich angesetzten Austrittstermin Großbritanniens aus der EU das Ruder über den Brexit-Prozess - zumindest teilweise - übernommen. Gegen den Willen der konservativen Regierung von Theresa May wollen die Abgeordneten selbst eine Alternative für den bereits zwei Mal abgelehnten Deal von EU und der Premierministerin suchen.
Dafür hatten die Parlamentarier am Montagabend die Regel außer Kraft gesetzt, der zufolge nur die Regierung die Tagesordnung des Parlaments bestimmt. Am Mittwoch wird es nun eine Debatte sowie Abstimmungen über alternative Brexit-Szenarien geben. Geplant sind sogenannte »indicative votes«, also Abstimmungen, mit denen ausgelotet werden soll, welche Alternative eine Mehrheit erhielte. Eine solche Abstimmung ist rechtlich nicht bindend, würde aber Hinweise darauf liefern, wofür es eine Mehrheit im Parlament geben könnte.
Als mögliche Optionen gelten neben einer, eher unwahrscheinlichen, Abkehr vom Brexit Varianten der engeren als bisher angedachten Anbindung an die EU, wie sie auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn fordert, oder ein zweites Referendum. Der Labourchef schrieb auf Twitter: »Ich denke, da, wo die Regierung versagt, kann und wird das Parlament Erfolg haben.« Der Brexit-Experte von Labour, Keir Starmer, bezeichnete die Vorgänge von Montag als »weitere demütigende Niederlage für die Premierministerin, die komplett die Kontrolle über ihre Partei, ihr Kabinett und den Brexit-Prozess verloren hat«.
Neben der Opposition hatten auch etwa 30 Abgeordnete von Mays Tory-Partei am Montag dafür gestimmt, dem Parlament diese Debatte zu ermöglichen. Mehrere Staatssekretäre hatten ihre Ämter niedergelegt, um gegen die Regierung votieren zu können. Die Brexit-Hardliner im Parlament dagegen schäumten der Deutschen Presseagentur zufolge vor Wut. »Das ist eine konstitutionelle Revolution und das Haus wird es bereuen«, rief demnach der Brexit-Veteran Bill Cash am späten Montagabend im Unterhaus.
Guy Verhofstadt, Brexit-Beauftragter des EU-Parlaments, befand, die Entscheidung sei eine Chance, parteiübergreifend für engere künftige Beziehungen zwischen EU und Großbritannien zusammenzuarbeiten. Auch der Ko-Vorsitzende der deutschen LINKEN lobte die Entscheidung. »Die Mitglieder des britischen Parlaments haben inmitten des Trauerspiels, das die Regierung von Theresa May darbietet, einen kleinen Etappensieg für die Demokratie errungen«, sagte Bernd Riexinger am Dienstag. May müsse »den Weg frei machen für Neuwahlen«. Diese betonte, ihre Regierung sei nicht daran gebunden, sollten sich die Abgeordneten auf eine Alternative zum Brexit-Abkommen festlegen. Die Folge einer Ablehnung ihres Deals sei ein Austritt ohne Abkommen, behauptete May. Mit Agenturen
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