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Der BerlKönig kannibalisiert
Die BVG sollte ihre Probleme lösen, statt sich selbst Konkurrenz zu machen, sagt Tino Schopf
Sie lehnen den BerlKönig, den Sammeltaxidienst der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), in der jetzigen Form ab. Warum?
Ich hielt den BerlKönig zunächst für ein gutes Angebot. Es soll Lücken im Nahverkehrsnetz schließen und Fahrten bündeln. Das ist genial, dachte ich. Dann muss nicht jeder mit dem eigenen Auto durch die Stadt fahren. Ich ging davon aus, dass die BVG damit in die Außenbezirke geht. Als mir das Konzept zugesandt wurde, war ich sehr erstaunt über den Geltungsbereich, im Ostteil der Stadt innerhalb des S-Bahnringes. Das ist für mich ganz klar eine Kannibalisierung des ÖPNV und des Taxigewerbes.
Also dass die BVG sich selbst Konkurrenz macht?
Ja, denn in Prenzlauer Berg gibt es keine Lücken im Nahverkehrsnetz und keine Angebotsdefizite. Selbst aus dem neuen Nahverkehrsplan geht hervor, dass ohne Verfügbarkeit dieser Sammeltaxidienst-Angebote 61 Prozent der Nutzer rein theoretisch mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad fahren würden - oder zu Fuß liefen.
Von der BVG hieß es auf solche Fragen, dass man sich lieber selber kannibalisiere und dafür eine eingeführte Marke habe, als dass andere Anbieter wie Uber oder Lyft kämen, wenn das Personenbeförderungsgesetz das einmal erlaubt.
Das kann doch kein Argument sein. Die BVG muss sich doch gänzlich anderen Herausforderungen stellen. Zum Beispiel dafür zu sorgen, dass ihre Beschäftigten bei der Stange bleiben und dass sie über 1100 nötige Neueinstellungen allein dieses Jahr hinbekommt. Diese Koalition ist angetreten, die Verkehrswende einzuleiten und den Umweltverbund zu stärken. Darüber hinaus haben wir uns mit dem Mobilitätsgesetz dazu verpflichtet, gleichwertige Mobilitätsmöglichkeiten in allen Teilen der Stadt anzubieten. Darauf muss unser Hauptaugenmerk liegen.
Medienberichten war zu entnehmen, dass sich der privatwirtschaftliche Partner der BVG - ViaVan, eine Kooperation von Mercedes-Benz und dem US-amerikanischen Unternehmen Via - geweigert haben soll, die Außenbezirke zu bedienen.
Das kann doch nicht wahr sein, dass wir uns von einem Unternehmen wie Mercedes vorschreiben lassen müssen, wo das Angebot platziert wird! Man hätte zumindest fordern müssen: Macht eure Erfahrungen innerhalb des S-Bahnringes, aber bitte auch in den Außenbezirken. Aber solche Unternehmen wollen einfach Gewinn machen und verfolgen andere Ziele.
Wie viel Geld fließt aus dem Landeshaushalt für den BerlKönig?
Es wird immer gesagt, dass das Land den BerlKönig nicht finanziert. Dennoch würde ich mir gern den Vertrag anschauen. Natürlich interessiert mich auch, was mit den Kundendaten passiert und welche Daten überhaupt gesammelt werden. Wer ist Herr dieser Daten? Das sollte für meine Begriffe die BVG als landeseigenes Unternehmen sein und nicht Mercedes oder Via.
Sie kritisieren auch die Konkurrenz zum Taxi.
Ja. Der BerlKönig kannibalisiert auch das Taxigewerbe. Wir haben ein Personenbeförderungsgesetz, mit dem wir den Taxifahrerinnen und Taxifahrern alles vorschreiben. Es gibt eine Beförderungspflicht, eine Tarifpflicht und somit eine Tarifordnung. Und dann führen wir den bis zu 40 Prozent günstigeren BerlKönig ein. Das ist kein fairer Wettbewerb.
Immerhin verdienen die Fahrer beim BerlKönig tagsüber 11,50 Euro die Stunde und nachts sogar 14,50 Euro. Das dürfte mehr sein, als viele Taxifahrer bekommen.
Das mag sicher sein, dass die relativ gut bezahlen. Aber welche Unternehmen stecken hinter diesem Angebot? Mercedes und Via sind finanzstarke und keine karitativen Unternehmen. Für mich steht die Frage im Raum: Welches Ziel wird von Mercedes und Via verfolgt? Denn zurzeit wirtschaften sie mit diesem Angebot nicht in der Gewinnzone.
Sind Sie gegen eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes?
Nein, ich unterstütze sogar eine Modernisierung. Gleichwohl: Wenn, wie der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) andeutet, die Tarifbindung aufgehoben werden soll, dann haben wir hier amerikanische Verhältnisse. Dann bezahle ich das Taxi nach Angebot und Nachfrage. Und das darf nicht sein.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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