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Gewerkschaft soll diverser werden
Migrantische ver.di-Mitglieder fordern bei ihrem Bundeskongress in Berlin mehr Teilhabe
»Es wurden Arbeiter gerufen, doch es kommen Menschen an«, singt Ata Canani, der als Zwölfjähriger mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen war. Sein Lied war am Freitagabend im Foyer der ver.di-Bundesverwaltung zu hören, wo Imran Ayata und Bülent Kullukcu ihre »Songs of Gastarbeiter« auflegten, eine CD mit Liedern, die von Menschen gedichtet und gesungen werden, die aus den verschiedenen Ländern zum Arbeiten in die Bundesrepublik gekommen waren. Es war das passende Kulturprogramm für die 3. Bundeskonferenz der Migrant*innen in ver.di, zu der 47 Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet sowie zahlreiche Gäste am Freitag und Sonnabend in Berlin zusammengekommen waren.
In einem Grußwort bezeichnete der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke seine Gewerkschaft als kämpferisch, diskussionsfreudig und divers. Doch manche der migrantischen Kolleg*innen machen in ihrem Gewerkschaftsalltag auch andere Erfahrungen. Die Vielfalt einer Einwanderungsgesellschaft spiegelt sich an der Gewerkschaftsbasis, nicht aber in den Gewerkschaftsstrukturen. Dort hat die von Werneke erwähnte Diversität oft ihre Grenzen. »Ich frage mich manchmal, ob ich mit gemeint bin, wenn meine Gewerkschaft ›Wir‹ sagt«, meinte eine Delegierte.
»Kein Wir ohne uns«, lautet die selbstbewusste Antwort der migrantischen Ver.dianer*innen. Damit fordern sie eine Teilhabe ein, die das Gesicht der Gewerkschaft verändern wird. Noch ist die Zahl der migrantischen Kolleg*innen in den Gewerkschaftsgremien nicht besonders groß. Doch die migrantischen Mitglieder wollen das ändern. Mehr Kolleg*innen mit Migrationshintergrund sollen für ehrenamtliche Gremien bei ver.di, aber auch für Funktionen bei den Betriebsratswahlen gewonnen werden.
Eine Quotenregelung wurde auf der Konferenz nicht gefordert, denn inzwischen nehmen viele ein Umdenken in ihrer Organisation wahr. Angesichts der demografischen Struktur der Bevölkerung in Deutschland könne es sich ver.di gar nicht mehr leisten, migrantische Mitglieder in der Struktur zu ignorieren. Auf diesen Aspekt ging auch Serhat Karakayali vom Berliner Institut für Migrations- und Integrationsforschung in seinem Vortrag ein. Darin plädierte er für ein gewerkschaftliches »Wir«, das sich nicht an Standorten und Nationen, sondern an den von Ausbeutung Betroffenen orientiert. Als positives Beispiel nannte Karakayali die Solidarität von Schwulen und Lesben aus London mit dem britischen Bergarbeiterstreik Mitte der 1980er Jahre. Auch nach ihrer Streikniederlage setzte sich die Minersgewerkschaft für Schwulen- und Lesbenrechte ein.
»Die beste Antwort auf Ausgrenzung und Rechtspopulismus ist Teilhabe.« Diese zentrale Forderung des Bundesmigrationsausschusses von ver.di richtet sich auch an die gesamte Gesellschaft. Nicht nur mit einem Antrag, sondern auch mit Postkarten wurde die Forderung nach dem Wahlrecht für alle unterstützt. Sie steht auch im Programm von ver.di.
Einig war man sich auf der Konferenz, dass Deutschland ein modernes Einwanderungsgesetz braucht. »Wir dürfen die Menschen, die zum Arbeiten in unser Land kommen, nicht als reine Produktionshilfen auffassen und sie im gesellschaftlichen Nirgendwo stehen lassen«, heißt es in dem Antrag. Neben einem vollständigen Familiennachzug werden auch hochwertige Integrationshilfen für Einwander*innen gefordert.
Unter dem Motto »30 Stunden sind genug« wurde auch eine radikale Arbeitszeitverkürzung nicht nur als soziale, sondern als antirassistische Maßnahme propagiert. Schon der Kampf für die 35-Stunden-Woche 1984 wurde von migrantischen Beschäftigten als Kontrapunkt zu der rechten Parole »Arbeitsplätze zuerst für Deutsche« geführt.
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