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LINKE übt den Spurwechsel
Anträge zur Migration lösen bisherigen internen Konflikt nicht auf, berücksichtigen aber verschiedene Standpunkte
Es habe »tatsächlich eine inhaltliche Debatte zum Thema Einwanderung stattgefunden«, erklärt Gökay Akbulut gegenüber dem »neuen deutschland«. »Das ist eine Weiterentwicklung auch innerhalb der Fraktion, und das bewerte ich positiv. Die Abstimmung hat gezeigt, dass es ein gemeinsames Signal für eine solidarische Einwanderungspolitik im Interesse aller Menschen gibt.« Die Freude der migrations- und integrationspolitischen Sprecherin der Linksfraktion beruht auf einem von ihr maßgeblich initiierten Antrag, den die Fraktion am Dienstag in schöner Einmütigkeit beschloss - ohne Gegenstimmen bei neun Enthaltungen.
Der Antrag »Für eine offene, menschenrechtsbasierte und solidarische Einwanderungspolitik« ist ein umfangreiches Papier, aber kein Gesetzentwurf, auch wenn der Antrag parallel zum Fachkräftezuwanderungsgesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht wird. Die LINKE fordert die Regierungskoalition darin zur Überarbeitung ihrer Gesetzentwürfe zur Einwanderung auf und enthält zugleich die Positionierung der Fraktion - ist daher nicht zuletzt für die eigenen Reihen von Bedeutung.
Berlin. Die Linkspartei hat am Mittwoch in Berlin ihre Kampagne zur Europawahl vorgestellt. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler und das Spitzenduo zur Wahl, Özlem Demirel und Martin Schirdewan, präsentierten die Plakate, mit denen die LINKE die Wähler bis zur Europawahl am 26. Mai überzeugen möchte.
»Die Menschen interessieren sich für Europa, die Menschen haben auch Erwartungen an Europa.« Diese Erwartungen seien ganz konkrete, keine abstrakten. An ein gutes Leben, an soziale Mindeststandards, an gute Löhne, auch an die Rettung von Menschen, die sich in Not befinden, an gute Wohnungen, zählte der Bundesgeschäftsführer auf. »Aber auch, dass diejenigen, die von Europa am meisten profitieren, und das sind derzeit die Konzerne, dass die angemessen zur Kasse gebeten werden.« Diese Erwartungen wolle man umfassend erfüllen, so Schindler. »Wir wollen ein besseres Europa.«
Die ersten beiden Großflächenplakate thematisieren Konzernsteuern und Armut sowie Waffenexporte und Flucht. Die kleinen Themenplakate fordern unter anderem »Gute Arbeit in Europa«, »Mindestlöhne rauf« oder »Mehr Geld für Bildung, Bus und Bahn«, »Reichtum gerecht verteilen«. mdr
Die LINKE will humanitäre Regelungen wie das Recht auf Familienzusammenleben, humanitären Aufenthalt, Bleiberecht und die Härtefallregelung stärken. Letzteres soll neu geordnet werden, so sollen künftig ergänzend zu Härtefallgremien der Länder auch kommunal verankerte Gremien eine Härtefallerlaubnis anordnen können, um dem Einzelfall besser gerecht zu werden.
Zugleich will die LINKE einen besseren Schutz von Arbeitnehmerrechten und zur »Bekämpfung von Ausbeutungsverhältnissen im Zuge der Erwerbsmigration« schaffen. Arbeitsmigration wird von der Warte der Bedingungen in Deutschland insgesamt, nicht allein der Forderungen der Wirtschaft, betrachtet. Diese Position baut ein zweiter Antrag aus, der den Schwerpunkt auf »Gute Arbeit« und »Vollbeschäftigung« legt. In beiden Anträgen wird die Behauptung eines Arbeitskräftemangels - zumindest in der üblichen Skandalisierung - in Frage gestellt. Die Öffnung des Arbeitsmarktes für Migranten sei richtig, heißt es im Antrag zur Guten Arbeit, aber die Koalition bediene »einseitig Interessen von Unternehmen und deren Verbänden. Fachkräfteeinwanderung wird so dazu missbraucht, die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und einen Unterbietungswettbewerb zu befördern. Das geht zu Lasten der Beschäftigten - egal welcher Herkunft - und zu Lasten der Arbeitsbedingungen.«
In beiden Anträgen klingen unterschiedliche Schwerpunkte ebenso an wie das Bemühen um Geschlossenheit. Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Mitinitiatorin des Antrags zwei: »Die Positionen ergänzen sich und garantieren, dass die Debatte sowohl die Sicherstellung von Guter Arbeit als auch die Notwendigkeit einer solidarischen Einwanderungspolitik berücksichtigt.«
Es gelte notwendige Regeln zu finden, heißt es in dem von Ferschl mitverantworteten Antrag, »die einen Spurwechsel von der Duldung hin zu einem echten Bleiberecht für Geflüchtete mit Arbeits- und Ausbildungsplatz ermöglichen«. Die Abwerbung ausländischer Fachkräfte gefährde potenziell die Entwicklung der davon betroffenen Länder. Negative Auswirkungen seien zusammen mit den betroffenen Ländern zu verhindern oder »durch umfassende soziale, politische und ökonomische Maßnahmen zu kompensieren«.
Die LINKE widerspricht mit ihren Anträgen einer Einwanderungspolitik nach reinen Nützlichkeitskriterien und fordert, gleichermaßen die Interessen der Herkunftsländer wie auch der Migranten zu berücksichtigen. Um dem Ziel einer Migration im »allseitigen Interesse« gerecht zu werden, tritt die Fraktion für die Schaffung eines Beratungsgremiums zur »Ausarbeitung künftiger Regelungen zur Arbeitsmigration« ein. Ihm sollten Vertreter fachkundiger Verbände, der Gewerkschaften, Wissenschaft, Betroffenenverbände und Entwicklungsorganisationen angehören. Und auch hier sollen Herkunftsländer und -regionen einbezogen werden, »und zwar nicht nur durch Regierungsstellen, sondern auch durch Fachleute und zivilgesellschaftliche Akteure«.
Die LINKE will nicht nur Migration von Fachkräften ermöglichen, sondern auch wenig oder nicht qualifizierter Personen, was mit Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten verbunden werden müsse. Gökay Akbulut spricht von einer inhaltlichen und konstruktiven Debatte der Fraktion. Man habe jetzt eine »Position, die alle Belange und Interessen, die innerhalb der Fraktion vertreten sind, widerspiegelt«.
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