»Die wollen mich loswerden«

Im sächsischen Grimma kämpft ein alternatives Jugendzentrum um die Anerkennung

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Dorf der Jugend in Grimma: Direkt an der Mulde ist aus einer alten Spitzenfabrik ein Jugendzentrum entstanden. Die alten Industriehallen aus beherbergt eine Konzerthalle, Büros, einen Basketballplatz und einen Skatepark. Viele alternative Jugendliche nehmen diese Angebote wahr, gilt die sächsische Kleinstadt sonst eher als AfD-Hochburg. Auch deshalb gewann das Projekt zahlreiche Preise. Trotzdem wandte sich das Dorf der Jugend vor einigen Tagen mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit. Der Förderverein für Jugendkultur und Zwischenmenschlichkeit (FJZ) – Träger der Spitzenfabrik – kämpft um die Anerkennung als freier Träger der Jugendarbeit. Die städtische Verwaltung legt ihm dabei Findlinge in den Weg.

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Ein Satz hat die jungen Menschen, die am Jugendhilfeausschuss in Borna bei einer Fragerunde teilgenommen haben, besonders aufgeregt. »Gibt es noch weitere Fragen? Ich sehe, das ist nicht der Fall.« Zwischen den beiden Sätzen gab es nahezu keine Pause. Dabei hatten die Jugendlichen, die die alte Industriebranche als Freiraum mit aufgebaut haben und nun um ihre Vision fürchten müssen, einige Fragen mitgebracht: »Welche Voraussetzungen muss ein Verein denn erfüllen, um anerkannt zu werden?« Ob es üblich sei, dass Vereine erst nach Jahren anerkannt werden, obwohl nachweislich schon seit langem gute Arbeit geleistet wird? Eigentlich gibt es in jeder Sitzung eine vorgesehene Fragerunde. Meist fällt diese aber flach, zu wenig Besucher nehmen an dem Ausschuss teil. Die rege Beteiligung der jungen Leute irritiert den Sitzungsleiter sichtlich.


»Kacken ist wichtiger als Deutschland«

Es ging um eine weitere Forderung der Sozialarbeit des Projektes. Der Förderverein des Dorfes der Jugend wollte die Anerkennung als freier Träger der Jugendarbeit. Daran hängen langfristige Finanzierungsmittel. In der Spitzenfabrik hätte man gerne mehrere Streetworker eingestellt, denn bisher gibt es nur eine 30-Stunden-Stelle. Viel zu wenig, um das wachsende Projekt zu sichern. Am Mittwoch, einen Tag nach der Sitzung des Ausschusses, kam dann die Entscheidung: Der Antrag wurde aufgrund formeller Mängel abgelehnt.

Eine Enttäuschung für die Jugendlichen, die andere Gründe hinter der Absage vermuten. Bei einem Gespräch mit dem Jugendamt im Dezember 2018 kritisierte die Behörde laut der stellvertretenden Vorsitzenden des Dorfes der Jugend, dass die Jugendlichen Bands einladen würden, die dem Jugendamt nicht passen. Ein Beispiel: die Elektropunk-Band Egotronic. Das Amt beanstandete auch Graffiti wie »Kacken ist wichtiger als Deutschland« sowie »FCK AFD«-Aufkleber auf dem Gelände. Vor allem aber wirft das Jugendamt dem Verein vor, dieser und der bisher einzige dort arbeitende Jugendsozialarbeiter würden die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht anerkennen.

Sozialarbeiter mit Herz

Der Stein des Anstoßes: Tobias Burdukat. Der Sozialarbeiter trägt das Dorf der Jugend nicht nur im Herzen, auch seinen Finger ziert der Name des Projekts. Es ist nicht das einzige Tattoo des Sozialarbeiters. Burdukat, genannt Pudding, hat das Dorf der Jugend mit ins Leben gerufen. Gegenüber dem »nd« findet er klare Worte: »Die wollen mich loswerden«, ist er sich sicher. Der Sozialarbeiter klingt sauer – wie in den letzten Jahren sicherlich öfters. Einiges an Hingabe hat es ihn gekostet, die alte Industriebrache in ein Jugendzentrum zu verwandeln – weitgehend ohne die Unterstützung öffentlicher Institutionen. Dass diese ihn jetzt ausbremsen wollen, ärgert ihn: »Es gibt hier überall im ländlichen Raum einen enormen Bedarf an Jugendarbeit.« Gerade in Grimma gibt es keine Kneipen und keine Konzerträume, in denen sich Jugendliche ausprobieren können. Ein Problem, gerade weil rechte Scharfmacher auf den sächsischen Dörfern agitieren, sich die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen zu Nutze machen. Um die Jugendarbeit steht es nicht gut. Auch sie gerät unter Beschuss. Gerade bei einem weiteren Wahlerfolg der AfD bei der anstehenden Landtagswahl im September steht zu befürchten, dass einiges an Kultur – und Demokratieförderung entfallen könnte. Schon jetzt stellt die AfD im sächsischem Landtag zahlreiche Anträge zu ihnen unlieben Jugendförderungsprojekten, wie Aiko Kempen vom Leipziger Stadtmagazin »Kreuzer« herausstellt.

Die Jugendlichen würden sich den Rechten zuwenden, oder sie zögen in die großen Städte, ärgert sich Burdukat. Er selbst ist auf dem Land geblieben. Aus Überzeugung. Aber auch er wäre längst weg, würde es das »Dorf der Jugend« nicht geben, erzählt er.

Aufgeben ist daher keine Option. Die Aktiven der Spitzenfabrik in Grimma haben als Reaktion auf die Nichtbewilligung des Jugendamtes ein Crowdfunding gestartet. Mit dem Geld wollen sie die fehlenden Sozialarbeiter selber bezahlen – und sich damit unabhängig machen von den Fördermitteln des Jugendamtes.

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