Ein Babysitter für die Gemeindevertreterin

Die CDU möchte mit einer unverbindlichen Soll-Bestimmung und anderen Maßnahmen für mehr Frauen in der Kommunalpolitik sorgen

  • Andreas Fritsche und Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn eine alleinerziehende Mutter in der Gemeindevertretung ihres Heimatorts mitmachen möchte, so kann sie dies unter Umständen nur tun, wenn sie für die Zeit der abendlichen Sitzungen ein Babysitter anheuert. Den muss sie natürlich bezahlen, und dies setzt dem ehrenamtlichen Engagement Grenzen.

Die CDU-Landtagsfraktion will es Frauen leichter machen, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Darum hat die CDU Mitte Januar eine Reihe von Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Dazu gab es nun am Donnerstag eine Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Nach dem Willen der CDU soll in die brandenburgische Kommunalverfassung ein Passus eingefügt werden, dass Gemeindevertreter, Ortsvorsteher und Ortsbeiräte Anspruch haben, ihre Aufwendungen für die Kinderbetreuung ersetzt zu bekommen. Bei der Kommunalwahl 2014 hatten für die 14 Kreistage und für die Stadtverordnetenversammlungen der vier kreisfreien Städte 4137 Männer kandidiert und nur 1519 Frauen. »Noch immer haben Frauen und Männer nicht gleichermaßen Anteil an politischer Arbeit, weil nicht ausreichend Kandidatinnen für Wahlen antreten«, weiß die CDU. Sie möchte deswegen einen Satz ins Kommunalwahlgesetz aufnehmen, wonach die Parteien und Wählergruppen bei der Aufstellung ihrer Kandidaten »nach Möglichkeit Frauen und Männer gleichermaßen« berücksichtigen »sollen« - ausdrücklich »sollen« und nicht »müssen«. Denn eine Pflicht, genauso viele Frauen wie Männer aufzustellen, hält die CDU für verfassungswidrig. Deshalb stimmte sie auch nicht zu, als SPD, LINKE und Grüne kürzlich im Landtag ein Partité-Gesetz verabschiedeten, das Parteien für die Landtagswahlen ab 2024 verpflichtet, auf ihre Landeslisten abwechselnd Männer und Frauen zu setzen.

Doch bringen unverbindliche Soll-Regelungen überhaupt etwas? Nach Ansicht der CDU schon. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen haben Soll-Bestimmungen in ihren Kommunalwahlgesetzen und die Erfahrungen zeigen, dass es zwar nur geringe, aber immerhin erste positive Veränderungen gebe, heißt es.

Bei der Anhörung am Donnerstag im Innenausschuss bescheinigten alle Experten, die dort zu Wort kamen, der CDU den guten Willen, die Umstände für Frauen in der Kommunalpolitik günstiger gestalten zu wollen. Verbesserungen seien bei der Kinderbetreuung und bei den Arbeitszeiten vorgesehen. Kritisiert wurde allerdings, dass eine Vorschrift zur gleichberechtigten Besetzung von Wahllisten fehle.

Der Abgeordnete Björn Lakenmacher (CDU) warnte ausdrücklich vor einer Debatte »männlich gegen weiblich« oder »Wir gegen Euch«. Er sehe keine »dunklen Männerbünde«, die das Ziel verfolgen, Frauen in der Politik zu verhindern. »Das erkenne ich bei meiner Partei und auch bei anderen Parteien nicht«, sagte Lakenmacher. Wenn in der Stadt Perleberg für die CDU ausschließlich Männer antreten, dann »weil wir schlicht und einfach keine Frau gefunden haben«. Das ließ der Abgeordnete Thomas Domres (LINKE) nicht gelten. Bei seinen Versuchen, in Perleberg Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, habe er sich »so manchen Korb geholt«, gestand er. Es habe einer Anstrengung bedurft, die Liste der Linkspartei für die Kommunalwahl am 26. Mai 2019 gleichberechtigt mit Frauen und Männern zu besetzen.

Die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) sagte zu Lakenmacher: »Wenn man Frauen finden will, dann findet man sie, darauf können Sie Gift nehmen.«

Männer setzen sich nicht zusammen, um Politikerinnen zu verhindern, bestätigte Laura Kapp vom Frauenpolitischen Rat des Landes Brandenburg. »Es ist viel schlimmer.« Kapp sprach von einer »Kultur der Ungleichheit, die wir oft nicht einmal wahrnehmen«.

Jeden zweiten Listenplatz für Frauen zu reservieren, würde allerdings nicht garantieren, dass die Hälfte der Mandate an Frauen gehen. Denn bei den Kommunalwahlen in Brandenburg verteilt der Wähler seine Stimmen beliebig auf die Kandidaten, denen er vertraut. Er habe keine Idee, wie das zu ändern sei, sagte in der Anhörung Holger Obermann vom Landkreistag. Ob eine Hälfte-Hälfte-Verpflichtung auf Kandidatenlisten mehr Frauen in den Kreistagen bedeuten würde, »kann ich nicht sagen«.

Auch die Landesgleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe kann dies nicht versprechen. Sie nannte als Beispiel Polen. Bei den Wahlen zum Sejm seien die polnischen Parteien zu paritätisch besetzten Listen gezwungen. Doch die Wähler dürfen ihre Stimmen ähnlich wie bei der Kommunalwahl in Brandenburg verteilen. Das führe dazu, dass der Frauenanteil im Sejm nur bei 30 Prozent liege.

»Wir sind weit von der Gleichstellung in der Politik entfernt«, sagte Ute Armenat, die Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Uckermark. Für den nächsten Kreistag treten als Kandidaten 64 Frauen und 219 Männer an. Armenat forderte, Frauenpolitik nicht den Männern zu überlassen. Die Wahl von Karina Dörk (CDU) zur Landrätin der Uckermark habe sich äußerst positiv auf das Klima in der Kreisverwaltung ausgewirkt.

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