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Journalistenpreise: Oder soll man es lassen?
Der Totalausrutscher der »Zeit« über Seenotrettung ist für den Theodor-Wolff-Preis nominiert worden
Der gesamte Beitrag »Oder soll man es lassen?« der »Zeit« wurde für den diesjährigen Theodor-Wolff-Preis in der Kategorie Meinung überregional nominiert. In den beiden umstrittenen Texten vom Juli 2018 diskutierten Mariam Lau und Caterina Lobenstein über das Für und Wider der Seenotrettung. Zurecht wurden die Texte damals stark von Journalist*innen, Zivilorganisationen und Politiker*innen kritisiert: Ein Pro & Contra zur Seenotrettung ist mehr als zynisch, zumal suggerierte es in Kombination mit der lakonischen Überschrift ein Infragestellen des Werts von Menschenleben. Die Chefredaktion der Wochenzeitung entschuldigte sich daraufhin, räumte ein, »Fehler gemacht« zu haben und dass im Text von Mariam Lau der Respekt vor dem Einsatz der Seenotretter*innen nicht zum Ausdruck gekommen sei.
Das ist eine schöne blumige Umschreibung dessen, was Lau in ihrem »Meinungsbeitrag« angerichtet hatte: Sie hat darin nicht nur überspitzt, wie viele ihren Ausfall kleinzureden suchten, sondern politische Realitäten völlig verkürzt dargestellt. Der Text ist journalistisch einfach nicht sauber. Er liebäugelt darüber hinaus mit billigen Gemeinplätzen von rechts (Seenotrettung sei Schleppertum) und Lau stellt diese Verschwörungstheorien auch noch als »legitime Meinung« dar, als Normalität. Meinungen kann man haben, aber Journalist*innen tragen Verantwortung, Menschenfeindlichkeit nicht zu verbreiten und transparent zu machen, in welchem Kontext solche menschenverachtenden Ideologien im Umlauf sind (Überraschung: Neonazis, Orbán, FPÖ, AfD, Identitäre). Außerdem sollten sie darauf achten, welche Auswirkungen ein solches Weiterverbreiten hat. Nämlich, dass solche Texte Wegbereiter des gesellschaftlichen und politischen Rechtsrucks sind, da sie die Positionen der AfD und der Rassist*innen als sagbar in die Öffentlichkeit einführen und sie als scheinbar legitime (und harmlose) Meinungen unter vielen etablieren. Dass diese alles andere als harmlos sind, sieht man an der Zunahme der rechten Übergriffe, an Chemnitz, an Christchurch.
Lau glänzt des Öfteren mit solchen Beiträgen. Sie steht damit stellvertretend für einen Teil der Medienbranche, die anscheinend absolut keinen Widerspruch darinsieht, Rechten und ihren menschenfeindlichen Aussagen eine große Bühne zu geben Diese Haltung spiegelt sich auch in den monochromen Gästelisten der Talkshows in Deutschland, welche die AfD als kostenlose Wahlwerbesendungen nutzte. Sie steht zudem für etliche Homestorys, in denen sich Journalist*innen an rechte Politiker*innen anbiedern - aus Opportunismus oder Faszination - oder für die Medienmacher*innen, die schon längst selber zum Sumpf gehören und feucht-fröhlich mit extrem Rechten feiern, wie auf der Geburtstagsparty des Journalisten Matthias Matussek.
Es verwundert zunächst also, dass »Oder soll man es lassen?« auf der Shortlist des Theodor-Wolff-Preises gelandet ist, vor allem, weil man sich dort auf die von Theodor Wolff gesetzten Maßstäbe beruft, wie demokratische und gesellschaftspolitische Verantwortung oder gründliche Recherche. Die anfängliche Verblüffung verfliegt bei Betrachtung der Jury (»Bild«, »Bild am Sonntag«). Ein Witz zum Schluss: Der Theodor-Wolff-Preis, der Journalistenpreis des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (Axel Springer, DuMont, Madsack) würdigt 2019 ebenfalls Beiträge zum Thema des Jahres »Welt im Umbruch - Demokratie in Gefahr?«. Nominiert dafür sind auch zwei Artikel über den Aufstieg der AfD. Haha! Welch Ironie, welch Trick - die Themen für die nächsten kritischen Reportagen gleich selbst zu erzeugen. Theodor Wolff würde es bestimmt (nicht) lustig finden.
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