Rote Laterne abgegeben

Deutlich mehr Lohn für Berliner Fahrer.

  • Martin Kröger Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die drei Warnstreiks haben sich für die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gelohnt. Am späten Donnerstagabend konnten sich der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) und die Tarifkommission der Gewerkschaft ver.di nach fünf Verhandlungsrunden in den Tarifverhandlungen einigen. »Mit dem jetzt vorliegenden Abschluss haben wir deutlich aufgeholt«, hieß es in einer Tarifinformation von ver.di an die Beschäftigten, die »nd« vorliegt. Vor Kurzem lagen die BVG-Mitarbeiter im bundesweiten Vergleich noch auf dem letzten Platz. Die »rote Laterne« im Tarifvertrag Nahverkehr haben sie mit dem neuen Abschluss jetzt wieder abgegeben.

Insgesamt bekommen die 14 500 Beschäftigten der BVG und ihrer Tochter Berlin Transport rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro zusätzlich pro Monat. Besonders positiv wirkt sich der Tarifabschluss bei den Fahrern aus, die fast 20 Prozent mehr verdienen werden. Deren Einstiegsgehalt steigt im bundesweiten Vergleich vom letzten auf den zweiten Platz. Auch im handwerklichen und kaufmännischen Bereich seien wir »im guten Mittelfeld gelandet«, erklärte ver.di. Der neue Entgeltvertrag gilt bis Ende 2020.

Unterdessen zeigte sich auch die Arbeitgeberseite in Berlin nach der Tarifeinigung sehr zufrieden. »Dieser Abschluss ist einmalig«, sagte BVG-Personalvorstand Dirk Schulte am Freitag. Das Tarifergebnis würdige das vorbildliche Engagement der Mitarbeiter und sende eine positive Botschaft an zukünftige Bewerber.

»Ich möchte nicht, dass die Mehrkosten für die Tarifsteigerungen auf die Fahrgäste abgewälzt werden«, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB. Immerhin steigen die jährlichen Personalkosten der BVG von derzeit etwa 670 Millionen Euro um rund 100 Millionen Euro.

Deutschlands größtes kommunales Nahverkehrsunternehmen sucht derzeit händerringend neue Mitarbeiter, um den höheren Bedarf in der wachsenden Metropole in Berlin zu decken. Allein 2019 müssen knapp 1350 Stellen neu besetzt werden. Die Berliner Verkehrsbetriebe betreiben Buslinien, Straßenbahn-Strecken und U-Bahn-Linien in der Hauptstadt. Täglich werden rund 2,9 Millionen Fahrgäste transportiert. Die Zahlen steigen seit einigen Jahren stark an. So wurden im vergangenen Jahr 1,102 Milliarden Fahrgastfahrten gezählt. Das waren 38 Millionen oder rund 3,6 Prozent mehr als 2017. Die BVG kommt aufgrund ihrer Personalsituation und des Wagenmangels bei der U-Bahn wegen jahrelang verschleppter Fahrzeugbestellungen mit der nötigen Leistungsausweitung nicht hinterher.

Nicht durchsetzen konnte sich ver.di dagegen mit der Forderung nach einer 36,5-Stunden-Woche für die Beschäftigten. »Wir konnten das Thema nicht klären, allerdings lag es hier an uns«, schreibt ver.di-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt an die BVGer. Die Arbeitgeberseite habe eine Lösung ab 2021 in Aussicht gestellt. Voraussetzung wäre jedoch eine lange Laufzeit für den Manteltarifvertrag gewesen, erklärt Arndt. Das widerspräche der bundesweiten Strategie der Gewerkschaft, die Laufzeiten der Nahverkehrs-Tarifverträge gleichzeitig Mitte Juni 2020 auslaufen zu lassen. »Ziel ist eine gemeinsame Durchsetzungsfähigkeit analog den Bodenverkehrsdiensten, für bessere Arbeitsbedingungen und Mindestniveaus«, so ver.di. »Es besteht auch die Hoffnung, dass gegebenenfalls das Thema Arbeitszeit im nächsten Jahr durch eine bundesweite Mobilisierung einen völlig neuen Drive bekommt und damit als Topthema platziert wird«, so Arndt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.