Die Felder müssen wieder beregnet werden
Agrarminister Vogelsänger präsentierte die Bilanz der Naturwacht
In Brandenburg, dem seenreichsten Bundesland, ist durch die Trockenheit des vergangenen Jahres zwar noch kein See ausgetrocknet. »Es ist aber sehr ernst«, sagte Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD), als er am Freitag in Potsdam die Bilanz der Naturwacht präsentierte. »Vor allem Fließgewässer führten oft über Monate kein Wasser«, erklärte er.
Die Folge: In Brandenburg und in Mecklenburg-Vorpommern seien nicht nur Fische und Amphibien extremem Stress ausgesetzt gewesen, es sei auch ein großer Teil der Ernte auf dem Halm verdorrt. Inzwischen wird notgedrungen die Beregung von Feldfrüchten wieder ein Thema, wie sie zu DDR-Zeiten vielfach zu beobachten war. Minister Vogelsänger teilte mit, dass die staatliche Förderung für Beregnungsanlagen von 20 auf 45 Prozent erhöht worden sei. Die Wirtschaftlichkeit rücke damit wieder in Reichweite.
Der Direktor der Stiftung Natur und Umwelt Bernhard Schmidt-Ruhe ergänzte, in manchen Gegenden Vorpommerns seien ungeachtet der ausgebliebenen Ernte die Erntefeste gefeiert worden. »Die Lebensmittel, die dazu nötig waren, musste man aus entfernten Gegenden heranschaffen.« In früheren Zeiten sei so eine Lage Ausgangspunkt für Hungersnöte gewesen.
Die zunehmende Trockenheit präge auch die Naturbeobachtung als einen wesentlichen Teil der Arbeit von Naturwächtern, sagte Naturwachtleiter Manfred Lütkepohl. Die Beobachtung werde von den 93 hauptamtlichen Rangern, aber auch von vielen Freiwilligen erledigt. Brandenburg sei »keine Insel«, und wenn es dem Bestand des Weißstorchs im bekannten Storchendorf Rühstedt gut gehen solle, so reiche es nicht, dass die örtlichen Landbesitzer dafür günstige Bedingungen schafften. Als Zugvogel müsse der Weißstorch auch in Afrika sicher leben können. Der Schutz des Schreiadlers gelinge, weil es eine Zusammenarbeit mit Rangern in Israel gebe, wo diese Tiere auf ihrem Zug nach Süden Rast machen.
Es folgte aus der Geschwindigkeit des Klimawandels, die kaum Anpassung zulasse, in Verbindung mit dem Eingriff des Menschen in die Natur, dass das Artensterben heute »hundertmal schneller vonstatten geht als auf allein natürlichem Wege«, sagte Stiftungschef Schmidt-Ruhe. Die Tollwutimpfung der Füchse führe dazu, dass sie sich rasant vermehrten. Aus Amerika eingeschleppte Waschbären und Marderhunde machen den Bodenbrütern zusätzlich zu schaffen. Wenn es 100 Brutpaaren des Kiebitz beispielsweise lediglich gelinge, vier Junge großzuziehen, dann sei das für den Erhalt der Art nicht ausreichend. »Noch erhält sie sich durch den Zuzug aus Polen, wo diese Vogelart noch etwas bessere Bedingungen vorfindet«, setzte Schmidt-Ruhe hinzu. Bei der seltenen Großtrappe leistet sich Brandenburg große Zäune, um die Brut vor Füchsen zu schützen.
Neben der Bestandserfassung und der Gebietskontrolle sei es vor allem die Bildungsarbeit, welche die Tätigkeit der Naturwacht präge, sagte Naturwachtleiter Lütkepohl. Ihm zufolge hat sich die Zahl der Kooperationen mit Schulen binnen eines Jahres von 13 auf 28 erhöht. Die Ranger machen auch Führungen. Um keine unfaire Konkurrenz zu freiberuflichen Naturführen zu sein, werden für die Führungen der Naturwacht Gebühren verlangt. »Für Kinder sind diese Führungen aber immer kostenlos.« Zwar hat sich die Zahl der festgestellten Umweltverstöße binnen eines Jahres um 87 auf 850 erhöht - doch könne sich das Land über ein relativ konstant niedriges Niveau bei dieser Art Straftaten freuen, hieß es.
Seit 28 Jahren gibt es die Naturwacht in Brandenburg. Sie war Vorbild für viele Bundesländer, die nach und nach ähnliche Strukturen aufbauen. Thüringen beispielsweise sei im Begriff, elf Naturschutzstationen mit je drei Beschäftigten nach dem Vorbild der brandenburgischen Naturwacht einzurichten, heißt es. Seit vier Jahren bietet die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde 15 Studienplätze für Naturwächter an.
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