- Politik
- Identitäre in Österreich
Halbherzige Abgrenzungsversuche
Die engen Kontakte zu der »Identitären Bewegung« werden für die FPÖ zum Problem
Ein brauner Faden durchzieht die gut ein Jahr alte ÖVP-FPÖ-Regierung in Österreich: Rassistische Entgleisungen und eine vermeintlich personelle Nähe zum rechtsextremen Milieu der Freiheitlichen Partei, gefolgt von einer zaghaften, oftmals kaum zu vernehmenden Distanzierung der Konservativen, gefolgt von einer ungleich lauteren Kritik der Opposition ob dieser Zaghaftigkeit. Seitdem bekannt wurde, dass der vermeintliche Attentäter von Christchurch, welcher in zwei Moscheen 50 Menschen ermordete, offenbar mit Teilen der rechtsextremen Szene in Österreich sympathisierte, ist die Tonart eine andere. Vor allem weil eben jene Szene mit Teilen der FPÖ sympathisiert - und vice versa.
»Dieses widerliche Gedankengut hat in unserer freien und liberalen Gesellschaft keinen Platz. Es ist daher wichtig, dass klare Grenzen gegen jede Form von Extremismus zu ziehen sind«, hieß es hierzu von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Ungewohnt deutliche Worte - vor allem, wenn man bedenkt, dass es der Begriff »Schweigekanzler« immerhin zum Wort des Jahres 2018 gebracht hatte. Ungewohnt konfrontativ fiel auch die Aufforderung Richtung Koalitionspartner FPÖ aus, sich klar und deutlich von derartigem Gedankengut zu distanzieren. In einer Koalition, welche das Thema »Message Control« im Verlauf der Legislaturperiode perfektioniert zu haben schien, sind solche offen vorgetragenen Ungereimtheiten bisher eine Seltenheit.
Der Grund: Anfang 2018 ging auf dem Konto der sogenannten Identitären Bewegung Österreichs (IBÖ) eine Spende von 1500 Euro ein. Laut E-Mail-Adresse des Spenders handelte es sich hierbei um eine Zuwendung des Attentäters von Christchurch. Am 25. März wurde daraufhin die Wohnung des IBÖ-Chefideologen Martin Sellner in Wien gestürmt und sämtliche Datenträger sichergestellt. Da sich die IBÖ regelmäßig wohlwollend über die FPÖ äußerte und Mitglieder der Freiheitlichen in jüngster Vergangenheit immer wieder auf IBÖ-nahen Veranstaltungen auftraten, sah man sich nun selbst in der sonst so friedsam daherkommenden ÖPV-FPÖ-Regierung dazu verpflichtet, etwas offensiver als sonst zu kommunizieren. Seither sind die Konservativen um das Ansehen ihrer Partei besorgt und die FPÖ-Führungsriege ist um Abgrenzung nach Rechtsaußen bemüht - mit mäßigem Erfolg.
Denn ideologische wie personelle Überschneidungen sind kaum von der Hand zu weisen. 364 Mitglieder der Identitären sind beim österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) aktenkundig. Vergangenen Donnerstag berichtete der ORF, dass sich unter den Identitären zahlreiche FPÖ-Politiker und Mitarbeiter sowie die beiden Söhne eines ÖVP-Politikers befinden.
Laut einem kürzlich veröffentlichten Dossier von SOS-Mitmensch, einer österreichischen Menschenrechtsorganisation, bestehen »mindestens 48 Verflechtungs- und Berührungspunkte« zwischen der FPÖ und den »Identitären«. Mindestens zwölf aktive FPÖ-Politiker beziehungsweise FPÖ-Mitarbeiter, so heißt es im Dossier, hätten seit 2014 an IBÖ-nahen Kongressen teilgenommen. Neun aktive Politiker der FPÖ beziehungsweise deren Mitarbeiter hätten an Kundgebungen der »Identitären« teilgenommen, drei davon seien sogar als Redner aufgetreten.
Bereits seit 2013 wirft der Österreichische Verfassungsschutz ein Auge auf die »Identitären«. Und machte dies 2014 auch in einem Bericht publik, in welchem von »Affinitäten zum Rechtsextremismus« und von Mitgliedern aus dem »studentisch-burschenschaftlichen Bereich wie auch amtsbekannten Neonazis« die Rede ist. Bis dato hatte ein Näheverhältnis zu der rechtsextremen »Bewegung« für keinen FPÖ-Politiker Konsequenzen, es gab kein einziges Parteiausschlussverfahren. Wie ernst es die Freiheitliche Partei mit ihrer Distanzierung also tatsächlich meint, wird sich zeigen. IBÖ-Chef Sellner wirft der FPÖ-Spitze hingegen Heuchelei vor. Gegenüber der österreichischen Tageszeitung »Die Presse« bezeichnete er Straches Distanzierungsversuche als »lächerlich«. Weiter hieß es: Eine Abgrenzung sei unglaubwürdig. Die FPÖ müsse sich dann »von ihrem ganzen Vorfeld distanzieren. Es gibt zu viele inhaltliche Überschneidungen.«
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