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Sehnsuchtsort Baku
Eintracht Frankfurt will gegen Benfica Lissabon ins Halbfinale der Europa League einziehen
Schon die Sammelaktion für den anstehenden Höhepunkterregte Aufmerksamkeit: Mit selbstgebastelten Plakaten und lärmenden Blechbüchsen zogen die Ultras von Eintracht Frankfurt vergangenen Sonntag rund um die Arena, um Spenden einzusammeln. Aufwendige Choreographien mit kiloweise Glitzerfolie kosten ein bisschen etwas, und wenn sich alle daran so gerne ergötzen, kann ein kleiner Obolus helfen, um Großes zu schaffen. Es hat jedenfalls reichlich gescheppert in den Sammelbehältern, schließlich sehnen Verein und Umfeld einen magischen Fußballabend herbei: Eintracht Frankfurt will im Viertelfinale der Europa League gegen Benfica Lissabon eine besondere Atmosphäre erschaffen, um das 2:4 im Hinspiel noch zu drehen. Oder wie Sportvorstand Fredi Bobic vor einer Woche recht vollmundig ankündigte: »Die hauen wir weg im Rückspiel.«
Leichter gesagt als getan: Nach den ersten beiden Niederlagen in diesem Jahr - dem Nackenschlag im Estadio da Luz folgte noch der 1:3-Rückschlag in der Bundesliga gegen den FC Augsburg - soll es nicht noch eine dritte Ernüchterung geben. »Wir brauchen das perfekte Spiel. Und es wäre ganz schön, mal wieder zu elft zu Ende zu spielen«, sagte Trainer Adi Hütter am Mittwoch. Er weiß beim Kräftemessen mit dem portugiesischen Rekordmeister um ihr Supertalent Joao Felix: »Wir müssen höllisch aufpassen.«
In den K.o.-Spielen gegen Schachtjor Donezk (2:2, 4:1) und Inter Mailand (0:0, 1:0) hatte sein Team den Vorteil, aus der Außenseiterrolle zu starten. Der 49-Jährige (»Wir wollen unseren Traum weiterleben.«) muss nun einen anderen Matchplan austüfteln. Kapitän Makoto Hasebe hat ja richtigerweise vorgerechnet: »Wir müssen mehr ins Risiko gehen, um Minimum zwei Tore schießen.« Mit einem 2:0 oder 3:1 wäre das Halbfinale erreicht. »Nach dem ersten Spiel ist Benfica zu favorisieren. Aber: Wir haben gegen Lazio, gegen Marseille und gegen Donezk vier Tore erzielt«, erklärte Hütter - und gab dem Gast eine »55-Prozent-Chance« aufs Weiterkommen.
Das Publikum soll eine Schlüsselrolle spielen. »Diese besondere Atmosphäre hat uns immer beflügelt«, versicherte Hütter. Aus der Nordwestkurve erhalten die Adler schon in der Bundesliga eine enorme Rückdeckung, aber die Europapokalpartien erzeugen auf den Rängen fast schon Urkräfte. Vorstandsmitglied Axel Hellmann hatte schon gesagt, die Eintracht sei ein »emotionaler Reaktor der Region«. Kein anderer Teilnehmer hat sich derart lustvoll diesem Wettbewerb verschrieben; keiner der Frankfurter hat jemals Klage über die Beanspruchung geführt. Motto: Europapokal ist keine Last, sondern macht Lust. »Müdigkeit ist eine Sache des Kopfes. Wir sind erholt und haben genug Kraft«, versprach am Mittwoch denn auch Gelson Fernandes.
Und es lohnt sich die Eurofighter vom Main, für die Frankfurter Festspiele über Grenzen zu gehen. Das Europapokalsolo hat 25 Millionen Euro in die Kasse gespült: UEFA-Startgelder und Prämien und die Beteiligung aus dem Marketingpool summieren sich bereits auf 15 Millionen, der Rest kommt aus den Zuschauereinnahmen und Gratifikationen der Sponsoren. Der Imagegewinn ist unbezahlbar. Ergo: Die oft zu Unrecht belächelte Europa League dient als Wachstumsbeschleuniger für die längst nicht mehr so launische Diva vom Main.
Es wäre für die Eintracht jammerschade, würde die Europatournee im April abrupt enden. Sportdirektor Bruno Hübner hat das Finale am 29. Mai in Baku als Ziel aller Sehnsüchte benannt. Gleichwohl ist der Optimismus ungebrochen. »Wir sind sehr, sehr heiß. Unsere Motivation liegt bei 150 Prozent«, erläuterte Sebastian Rode. »Wir müssen alles in die Waagschale werfen, aber auch kühlen Kopf bewahren.« Vielleicht ist es für die Eintracht von Vorteil, dass danach so oder so ein bisschen mehr Zeit zum Durchschnaufen besteht. Erst am Montag geht es beim VfL Wolfsburg weiter. Die Eintracht liegt auf Platz vier, hat einen Zähler Vorsprung vor Borussia Mönchengladbach. Sollte Frankfurt tatsächlich auf diesem Weg die Champions League erreichen, dürfte das Wehklagen über ein mögliches Europa-Aus schnell verstummen. Aber vorher wollen alle noch einmal alles geben: Die Spieler auf dem Rasen, die Zuschauer auf den Rängen.
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