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Unteilbarer Sommer

Ana-Cara Methmann über den vom unteilbar-Bündnis geplanten »Sommer der Solidarität« in Sachsen

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 5 Min.

Warum braucht Sachsen ein unteilbar-Bündnis?

Für mich hat unteilbar im letzten Herbst gezeigt, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft für Solidarität auf die Straße gehen können. Da hat sich ein großes positives »Wir« gebildet aus vielen Initiativen, die zusammen für gemeinsame Werte eingestanden sind. In Sachsen gibt es seit Jahren eher die Erfahrung, immer nur gegen etwas auf die Straße zu gehen. Die Blockade von Naziaufmärschen ist zweifelsohne wichtig. Mit unteilbar soll aber die Möglichkeit genutzt werden, eigene Inhalte auf die Straße zu bringen. Darüber hinaus stehen in Sachsen Kommunal- und Landtagswahlen bevor. Bei der Regierungsbildung droht auch eine Beteiligung der AfD. Die Zeit, in der eine solche Konstellation unmöglich erschien, ist lange vorbei. Daher könnten diese Wahlen ein Dammbruch sein, der bundespolitische Bedeutung hat.

Zur Person

Ana-Cara Methmann ist Sprecherin des Unteilbar-Bündnisses und wohnt in Leipzig. Von dort organisiert sie die Proteste in Sachsen: Am 06. Juli sollen die Bündnis-Aktivitäten mit einer Demonstration in Leipzig eingeleitet werden, danach wird es mehrere Konzerte im Rahmen der #wannwennnichtjetzt-Tour in Zwickau, Bautzen, Annaberg-Buchholz, Plauen und Grimma geben, bei denen unteilbar mitwirkt. Endpunkt wird dann am 24. August eine Demonstration in Dresden, eine Woche vor der Landtagswahl. Über den geplanten »Sommer der Solidarität« sprach mit ihr Fabian Hillebrand.

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Zielt eure Demonstration also auf die Landtagswahlen ab? Wollt ihr Einfluss auf das Ergebnis der Wahl nehmen?

Wir werden ganz sicher als unteilbar keine Wahlempfehlungen aussprechen. In einem Wahlkampf geht es auch immer um mehr als Ergebnisse, da werden gesellschaftliche Stimmungen geprägt und mobilisiert. Die Landtagswahlen spielen für uns in diesem Sinne eine Rolle. Der Zeitpunkt unserer Aktionen ist schließlich nicht zufällig gewählt. Aber wir wollen vor allem als Bündnis in Sachsen die Tausenden repräsentieren, die sich für Solidarität und Vielfalt einsetzen. Mit diesen Menschen laut zu werden, das ist unser Ziel. Wenn sich dieses Gefühl auch bei der Wahl niederschlägt, nehmen wir das als netten Beigeschmack mit.

Einige Menschen im Bündnis sind Funktionäre bei der LINKEN, den Grünen oder der SPD. Lässt es sich da verhindern, dass unteilbar für Wahlergebnisse instrumentalisiert wird?

Ich sehe diese Gefahr nicht. Wir sind ein zivilgesellschaftliches Bündnis, das sehr darauf Acht gibt, in welcher Art Menschen aus Parteien involviert sind. Es ist zum Beispiel ganz klar, dass Menschen, die jetzt gerade sowohl für die Kommunalwahlen als auch für die Landtagswahlen kandidieren, keine Sprecher*innen-Positionen für das Bündnis übernehmen können.

Was sind dann die Kernbotschaft von Unteilbar?

Die Entwicklung, besonders hier in Sachsen, führt immer mehr zur gesellschaftlichen Teilung: zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land, zwischen Alt und Jung. Mit unserem Bündnis und unseren Aktivitäten wollen wir gemeinsam solidarisch miteinander stehen. Migration ist nicht der Grund für den sozialen Abbau in diesem Land. Dass Geflüchtete und Erwerbslose gegeneinander ausgespielt werden, finde ich abscheulich und nicht hinnehmbar. Dem gilt es mit einer solidarischen Haltung zu begegnen.

Berlin ist der Sitz vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, wird rot-rot-grün regiert und war schon immer ein Hort der Alternativkultur. Kann man sagen, die Demonstration in Berlin war ein Heimspiel, in Sachsen betretet ihr schwierigeres Terrain?

Wir stehen sicherlich vor Herausforderungen. Aber wir sollten auch sehen, dass viele der Organisationen, die unteilbar in Berlin unterstützt haben, aus Sachsen kamen. Dazu gehören ebenso große Verbände und Gewerkschaften wie auch kleine Organisationen. Natürlich ist die Zivilgesellschaft in Sachsen schlechter aufgestellt. Sie wird von rechten Kräften aber auch der Landesregierung angegriffen und sie ist durch jahrelangen Sozialabbau geschwächt. Viele mutige Projekte in Bautzen, Grimma oder Meißen haben mit den Gegebenheiten zu kämpfen. Ihre Ressourcen gehen vor allem in die eigene Arbeit und das ist gerade hier in Sachsen unabdingbar. Es wird schwer für sie, auch noch Kraft in eine Bündnisarbeit wie die von unteilbar zu stecken. Ob es uns trotzdem gelingt, diesen Initiativen eine große Bühne zu geben, an diesem Anspruch wollen wir uns messen lassen.

Wie kann man diese Menschen mobilisieren?

Viele Menschen sind mit Rechtsruck und Rassismus hier in Sachsen nicht einverstanden. Ich denke, das Bedürfnis ist groß, dies zu zeigen. Es gilt für uns, auch an Protestbewegungen in Ostdeutschland anzuknüpfen. An die Großdemonstrationen von 1989, an die Proteste gegen die Hartz-IV-Reform. Menschen in Ostdeutschland sind bundesweit nach wie vor stärker von Arbeitslosigkeit, geringeren Löhnen und Renten betroffen. Und in dem Aufruf beziehen wir uns auch direkt auf eine Parole der »friedlichen Revolution«: Wir wollen für eine freie und offene Gesellschaft auf die Straße gehen.

Ist das nicht ein wenig weit hergeholt? Gibt es wirklich Parallelen zwischen unteilbar und der »Wende«?

Es sind natürlich gänzlich andere Kontexte. Aber für freie Bewegungen, für Solidarität, für ein freies Land mit freien Menschen auf die Straße zu gehen, das eint die beiden Bewegungen miteinander. Wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass die frühe Protestbewegung in der DDR weit mehr wollte, als den Anschluss an die BRD. Es ging um eine radikal andere Gesellschaft. Wir wollen an die Anfänge der Proteste in der Zeit vor der friedlichen Revolution erinnern. Als die Menschen mutig für emanzipatorische Veränderungen auf die Straße gingen. Ihr Motto war »Für ein offenes Land mit freien Menschen« – wir fordern auch daran angelehnt eine offene und freie Gesellschaft mit mehr Solidarität und ohne Ausgrenzung.

Was ist eigentlich das Besondere an unteilbar? Warum haben die Proteste im Oktober 2018 eine solch große Resonanz erfahren?

Die Themen Migration, Flucht und Außengrenzen werden massiv diskutiert. Bisher haben vor allem die Rechten in der Auseinandersetzung Ängste geschürt und damit Politik gemacht. Die Bewegung »Seebrücke« und unteilbar haben gezeigt, dass es viel mehr Menschen gibt, die für Solidarität und das Willkommen einstehen. Die Idee einer solidarischen Gemeinschaft ist damit wieder denk- und vorstellbarer geworden.

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