- Berlin
- Sören Benn
Ohne Kompetenz vor Ort geht nichts
Teil 2 der Serie zur Halbzeitbilanz der linksregierten Ostbezirke: Pankow
Pankow wächst mit der Hauptstadt um die Wette, im Durchschnitt kommen pro Jahr 5000 Einwohner hinzu. Der Bezirk im Nordosten, grün und mit schöner Umgebung, hat ein gutes Image. Seine Ortsteile, speziell Prenzlauer Berg, haben noch etwas vom Ruf des Unangepassten aus der Wendezeit bewahrt. Dafür, dass alle Einwohner im Bezirk anständig wohnen und sich wohlfühlen können, trägt seit 2016 Sören Benn (LINKE) im Rathaus an der Breite Straße die Verantwortung. Seit zweieinhalb Jahren lenkt der 50-Jährige die Geschicke des bevölkerungsreichsten und flächenmäßig zweitgrößten Berliner Bezirks. »Pankow erstreckt sich vom Zentrum bis zum Stadtrand, wir fangen hinterm Alex an der Torstraße an und hören auf im Barnim, hinter Buch, Panketal und so weiter«, sagt er. Wenn es um das Reizthema Wohnen geht, dann ist dieser Bezirk eine Art Hoffnungsträger des rot-rot-grünen Senats: Pankow verfügt über die meisten Flächen, auf denen große Wohnungsbauvorhaben realisiert werden sollen.
Es passt ganz gut, dass der Kommunalpolitiker der Linkspartei in der DDR Baufacharbeiter mit Abitur gelernt hat und seit 1990 selbst in Pankow lebt. Er kennt sich aus, wenn von Bauvorhaben im Blankenburger Süden, in der Elisabethaue, in der Michelangelostraße, am Pankower Tor, in Karow oder Buch die Rede ist. Es wird viel gebaut, 2018 entstanden selbst im Schlossparkkiez in der Mendelstraße 350 Wohnungen. »Wir haben riesige Potenziale, doch nicht alle lassen sich kurzfristig heben«, sagt er. Allein die Vielzahl gesetzlicher Anforderungen an den Wohnungsbau, die Verkehrsplanungen oder die Umweltgerechtigkeit führe in der Summe dazu, dass Planungsvorhaben für größere Wohnungsbaugebiete viele Jahre brauchen. Zudem sei die Verwaltung auf die neue Dynamik nicht vorbereitet und wachse nur langsam.
- Der Bezirk Pankow entstand 1920 mit der Bildung von Groß-Berlin aus sechs im Norden gelegenen ehemaligen Barnim-Dörfern.
- Die Verwaltungsreform 2001 vereinte die Stadtbezirke Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee zu Berlins bevölkerungsreichsten (407 000 Einwohner) und flächenmäßig zweitgrößten (103 Quadratkilometer) Bezirk.
- Gegliedert ist der Bezirk in 13 Ortsteile: Blankenburg, Blankenfelde, Buch, Französisch Buchholz, Heinersdorf, Karow, Niederschönhausen, Pankow, Prenzlauer Berg, Rosenthal, Malchow, Weißensee und Wilhelmsruh.
- Bekanntester Ortsteil ist Prenzlauer Berg, in dem fast Hälfte der Einwohner des Bezirks leben. Als einst »berlinischster« Bezirk der DDR-Hauptstadt stand er schon früh für eine alternative, widerständische Jugend- und Kulturszene.
- Ab 1949 war Schloss Schönhausen Sitz des DDR-Präsidenten, danach von 1960 bis 1964 Amtssitz des Staatsratsvorsitzenden. Im nahen »Städtchen« am Majakowskiring wohnten damals viele Spitzenpolitiker. In Westdeutschland galt der Begriff »Pankow« lange als Synonym für die DDR-Regierung.
- Seit Oktober 2016 ist Sören Benn (DIE LINKE) Bezirksbürgermeister. tm
Sören Benn hat viele Talente ausgebildet, war in den 1980ern in der Umwelt- und Friedensbewegung der Evangelischen Kirche, studierte später Schauspielerei, erwarb das Diplom als Sozialpädagoge. Bevor er Berufspolitiker wurde, engagierte er sich in der Jugend- und Sozialarbeit, kennt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und das Abgeordnetenhaus. Für seine Wahl 2016 konnte die LINKE in der BVV Grüne und SPD für eine Zählgemeinschaft gewinnen.
»Ich bin ja damals angetreten mit dem Werbespruch ›Klug investieren, damit’s in Pankow besser läuft‹. Auf diesem Pfad sind wir jetzt tatsächlich«, sagt der Bürgermeister. Er sei ja in die fetten Jahre hineingewählt worden. Doch davon sei, als er sein Amt antrat, noch nichts zu spüren gewesen. »Ich hatte fast täglich eine Lawine von Bürgerbeschwerden in meinem E-Mail-Postfach. Die Leute kamen zum Teil persönlich ins Büro gestürmt, weil sie keine Termine bei den Ämtern bekommen haben.« Die Situation der Ämter sei infolge der Sparpolitik oft katastrophal gewesen. »Die᠆se Situation haben wir in den letzten Jahren drehen können.« Zwar laufe der Service noch nicht überall reibungslos, aber die Lage sei auch nicht mehr dramatisch. »Wir können jetzt wieder Personal aufbauen«, sagt er. Stellen seien da, mehr, als man Fachkräfte auftreiben könne. »Im letzten Jahr fehlten uns an die 250 Leute, damit auch wirklich alles läuft.« Die Verwaltung hatte 2001, kurz nach der Fusion, rund 4000 Mitarbeiter, heute seien es noch 2200. Allerdings sei der Bezirk in der Zwischenzeit um rund 70 000 Einwohner gewachsen.
Die Fülle der Aufgaben, die gleichzeitig anzupacken sind, ist enorm. Im Bildungsbereich muss, wie überall in Berlin, kräftig zugelegt werden. »Die Kinderzahlen wachsen in Pankow nach wie vor. Wir haben 69 Schulen, doch bis 2030 brauchen wir 18 weitere«, so Benn. Die vorhandenen müssten dringend saniert werden, Investitionsmittel stünden bereit, doch auch hier fehle Personal.
Sanierungsstau herrscht auch bei Straßen und Wegen. Besonders groß ist der Nachholebedarf bei den mehrere Tausend Kilometern Gehwege – eine riesige Aufgabe angesichts einer älter werdenden Bevölkerung. »Wir bringen so viel Geld in die Landschaft, wie zu keiner anderen Zeit. Und trotzdem haben die Leute das Gefühl, es passiert zu wenig«, so Benn.
Von Beginn an sei ihm klar gewesen, dass künftig die Bürger viel stärker in Verwaltungsprozesse einbezogen werden müssen. »Das war ja auch Wahlkampfthema«, sagt der Bürgermeister. Gerade die großen Wohnungsbauvorhaben habe man anders in diese Beteiligungsprozesse einbinden wollen. »Inzwischen haben wir ein Büro für Bürgerbeteiligung. Wir haben uns wiederholt zusammengesetzt mit den Initiativen vom Mauerpark, haben Ortsteilkonferenzen in Rosenthal und Weißensee abgehalten, planen das auch in Wilhelmsruh in Karow. Wir sind auf einem ganz guten Weg, den Austausch zwischen Verwaltung und Bürgerinnen hinzukriegen – auch dauerhaft, stetig und nicht nur anlassbezogen.« Dass man gemeinsam besser vorankommt, haben alle Beteiligten begriffen. »Inzwischen haben auch die Senatsverwaltungen gelernt, die Bezirke rechtzeitig und ernsthafter in ihre Vorhaben einzubeziehen, weil sie mitbekommen haben, dass ohne die Bezirke große stadtpolitische Entwicklungsvorhaben nicht mehr durchsetzbar sind.«
Er selbst habe dabei gelernt, dass Bürgerbeteiligung heißt, die Leute an der Planung zu beteiligen, ihre Vor-Ort-Kompetenz einzubeziehen und zudem die Verwaltung zu Qualität zu drängen. »Wenn eine Verwaltung ihre Sachen offen und verständlich vorlegt, dann kriegst du Leute auch«, so Benn. Jetzt rückt der Bezirk die soziokulturelle Infrastruktur wieder in den Fokus. »Wir werden zum Beispiel den Kulturstandort Ernst-Thälmann-Park sanieren und zukunftsfähig machen«, sagt er. »Wabe«, »Theater unterm Dach« und die Galerie werden unter einer Dachmarke erhalten. Gleich daneben, an der Fröbelstraße, wird der Bezirk ab 2020 sein bürgernahes Verwaltungszentrum schaffen.
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