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»Auschwitz rechtfertigt keinen Krieg«

Der ehemalige Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten warnt davor, geschichtliche Ereignisse zu verfälschen und politisch zu benutzen.

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Bei einer Gedenkstunde zum Tag der Befreiung vom Faschismus am Mittwochabend im Potsdamer Landtag warnte der ehemalige Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Professor Günter Morsch, davor, aktuelle politische Manöver mit historischen Ereignissen zu begründen. Es sei nicht in Ordnung, mit dem Verweis auf das Konzentrationslager Auschwitz einen Krieg zu rechtfertigen. Damit spielte Morsch auf den NATO-Angriff auf Jugoslawien an, den der damalige Bundesaußenminister Joseph Fischer (Grüne) 1999 damit zu begründen versucht hatte, man müsse ein neues »Auschwitz verhindern«. Der angebliche Hufeisenplan Serbiens zur ethnischen Säuberung der Provinz Kosovo von den Albanern erwies sich allerdings als damals schon durchschaubare Fälschung.

Aus der Sicht von Morsch eignet sich ebenso der Verweis auf den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 nicht dazu, eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland wegen der Besetzung der Krim zu rechtfertigen.

Angesichts dessen, dass nur noch wenige Opfer des Faschismus leben und in absehbare Zeit gar keine mehr, dürfe die öffentliche Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht enden, mahnte Morsch. Aus seiner Sicht fehlt in Brandenburg vielerorts eine wissenschaftlich aufgearbeitete Lokalgeschichte.

Geschichte sei kein moralisches Rezeptbuch. Es dürften Ereignisse nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen, verkürzt, verfälscht und so zur Legitimierung eines Staates oder einer bestimmten Politik eingesetzt werden, betonte der Professor.

Anfang der 1930er Jahre sei die Weimarer Republik zusammengebrochen, weil immer mehr Wähler ihr das Vertrauen entzogen. Begünstigt, um nicht zu sagen vorangetrieben worden sei dies durch eine Oberschicht, die im Inneren bereit gewesen sei, »einen Führerstaat zu unterstützen«. Daraus leitete Morsch die Forderung ab, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte regelmäßig weiterzubilden. Ja selbst eine Weiterbildungspflicht für diesen Personenkreis halte er für angemessen, sagte Morsch.

Habe nach dem Zweiten Weltkrieg der britische Politiker Winston Churchill noch vom »segensreichen Akt des Vergessens« gesprochen, so habe sich in den Jahren danach herausgestellt, dass eine ungeschminkte Offenheit das wichtigste Antriebsmoment für die europäische Verständigung war. »Kein Land hat davon in solchem Maße profitiert wie Deutschland«, meinte Morsch. Ihm zufolge ist das Erinnern »nicht risikolos« und kein Allheilmittel. Es trägt immer auch die Möglichkeit eines Missbrauchs in sich.

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