Rasend schneller Aufstieg

Bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei spielt sich mit Moritz Seider der Jüngste des deutschen Eishockeyteams in den Vordergrund

  • Thomas Lipinski, Kosice
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach seinem historischen Tor brachte Moritz Seider auch den Bundestrainer zum Staunen. »Wir sollten alle sein Spiel genießen«, sagte Toni Söderholm nach dem 4:1 der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft gegen Frankreich. Wieder hatte der 18-Jährige eine ganz starke Leistung gezeigt - und einen ganz besonderen Treffer erzielt: Als jüngster Verteidiger seit dem Finnen Reijo Ruotsalainen 1978 traf er zweimal bei einer WM. »Er kann sich noch überall verbessern, aber wir reden über einen sehr guten Eishockeyspieler«, resümierte der Coach.

Söderholm ist nicht der Einzige, der den Teenager genau beobachtet. Die Klubs aus der NHL haben ihre Scouts nach Kosice geschickt, um den Mannheimer unter die Lupe zu nehmen. Denn Seider dürfte beim Draft im Sommer zu denen gehören, die schon in der ersten Runde ausgewählt werden. »Es ist eine Riesenbühne, auf der ich mich präsentieren kann«, sagte das größte deutsche Eishockeytalent nach Leon Draisaitl.

Schon seit Monaten schauen die NHL-Späher bei Seider ganz besonders genau hin - und sehen eine Karriere im Zeitraffer: Erstes Profispiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit 16 Jahren, Aufstieg als Kapitän mit dem U20-Nationalteam, Stammplatz mit 17 bei den Mannheimer Adlern, »Rookie des Jahres«, erste Playoffs, erster Meistertitel, erstes Länderspiel, erste Weltmeisterschaft, die ersten Tore ...

»Diese Saison war bilderbuchmäßig«, sagte Seider, »das sind Momente, die man ein Leben lang nicht vergisst.« Im DEL-Halbfinale durfte er nach seinem 18. Geburtstag endlich das Gitter am Helm abschrauben, »der letzte Schritt, kein Unterschied mehr zwischen Kind und Profi«. Seine internationale Reifeprüfung im Eishockey besteht der Teenager gerade in Kosice mit Bestnoten, für das Abitur im nächsten Jahr muss er dagegen noch lernen. Möglicherweise in Nordamerika. Wenn ihn der Klub, der ihn auswählt, sofort vor Ort spielen sehen will. »Es geht auch über Onlinekurse«, erzählte Seider, »meine Schule ist sehr kooperativ.« Eigentlich will der Zwölftklässler aber lieber noch ein Jahr in Deutschland bleiben. »Weil ich körperlich noch stärker und mein Antritt noch schneller werden muss.«

Mit den Klubs, die ihn am 21. Juni in Vancouver auswählen möchten, hat er schon geredet. »Es gab viel Interesse, viele Fragebögen«, berichtete Seider, »mit einigen bin ich auch während der WM enger in Kontakt.« Sie haben - wie auch der Bundestrainer - längst festgestellt, dass er älter als 18 wirkt. »Er ist vom Kopf her weiter entwickelt als viele andere in seinem Alter«, lobte Söderholm. »Er spielt abgezockt wie ein 35-Jähriger«, meinte NHL-Verteidiger Korbinian Holzer. Ja, sagte Seider, wenn man so früh Eishockeyprofi wird, müsse man schneller erwachsen werden. »Mitspielern über 30, die Kinder haben, muss man respektvoll gegenübertreten, da kann man nicht die jugendliche, leichtsinnige Schiene fahren.« Im Sommer allerdings, wenn alles vorbei ist, will er ein ganz normaler Teenager sein, »abends draußen sitzen und mit meinen Kumpels darüber reden, was eigentlich passiert ist«. SID/nd

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