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Ab nach Brüssel
Bernd Zeller glaubt, dass Angela Merkel noch eine große politische Zukunft hat
Unser heutiger Bericht befasst sich mit den beruflichen Perspektiven, die sich für unsere Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene auftun. Zwar hat die Kanzlerin klar gesagt, sie bewerbe sich nicht und stehe nicht zur Verfügung, schon gar nicht während ihrer laufenden Amtszeit, aber das bedeutet nur, dass sie keine Eile hat. Zu bewerben braucht sie sich nicht, denn sie wird gedrängt, gebeten und angefleht, und selbstverständlich steht sie zu keinerlei Verfügung, sondern verfügt selbst.
Früher wäre die Übernahme eines hohen EU-Postens einer Beseitigung gleichgekommen, aber die Wichtigkeiten haben sich verlagert. Da wird jetzt gestaltet, weil man da den Überblick hat über die komplexen Angelegenheiten, von denen die Europäer in ihren provinziellen Regionen nur zu wissen brauchen, dass Europa die Antwort ist. Spannend wird sein, wohin die dann ehemalige Kanzlerin die Leute beseitigt, die ihr nicht zu Willen sind. Vermutlich in die Bundespolitik.
Bekleiden wird sie den Posten der EU-Beauftragten für Merkel-Angelegenheiten. Bei ihr laufen die Kompetenzen zusammen, so dass an ihr keiner vorbeikommt. Inhaltlich setzt sie ganz auf klare Botschaften, verbunden mit deutlichen Signalen in Richtung derjenigen, die gegen eine Stärkung des europäischen Gedankens auf EU-Ebene ihre Vorbehalte verbreiten, statt sie auszuräumen. Hier wird nicht nur der aktuelle Wirtschaftsminister eine wichtige Rolle erhalten, denn wenn immer irgend etwas kritisiert werden könnte, wird er seine politische Analysefähigkeit dazu einsetzen, Angela Merkel zu verteidigen.
Auch der derzeitige Bundespräsident braucht eine Anschlussverwertung, die er sich redlich verdient hat, denn gerade hat er sich mit der Kraft der Würde seines Amtes gegen Verschwörungstheorien ausgesprochen. Da weiß er wie kein anderer, wovon er spricht, denn er war mal für die Geheimdienste zuständig. Daher ist ihm bekannt, dass die Beamten und Agenten an der unsichtbaren Front allen Hinweisen auf Verschwörungen nachgehen. Gefunden haben sie aber nie etwas. Wer trotzdem noch so was glaubt, hat einen am Aluhut.
Beliebte Verschwörungstheorien sind, dass es die Mondlandung gar nicht gegeben hätte oder dass über die Flugzeuge chemische Stoffe in die Luft emittiert würden, die irgendwie die Menschen beeinflussen. Es stimmt zwar, dass man mit der heutigen Computertechnik die Mondlandung nicht wiederholen könnte, weil die Rechenkapazitäten zu groß sind, um irgendwie vorwärts zu kommen, aber damals hat man sich darum nicht gekümmert und eben gemacht. Dass das mit den von Flugzeugen versprühten Substanzen Unsinn ist, liegt auf der Hand; was sollen die Stoffe so weit oben in der Luft? Man könnte sie viel leichter dem Benzin beimischen, das durch die Autos verteilt würde, oder man verkauft den Kunden direkt irgendwas, die würden noch dafür bezahlen.
Steinmeier käme also die Funktion zu, die Europäer zu beruhigen, damit sie nicht glauben, die Berufung von Angela Merkel in ein hohes EU-Amt würde bedeuten, dass Europa gerettet werden müsse. Sie sollen glauben, dass das schon die Rettung ist.
Es spricht für die Seriosität der Kanzlerin, dass sie, statt eine sofortige Beförderung anzunehmen, den Auftrag der Wähler für die laufende Legislaturperiode vollumfänglich zu erfüllen vorhat, auch wenn vielleicht nicht alle Wähler noch wissen, dass sie ihn ihr gegeben haben, und aus Verantwortung für das Land diesbezügliche Ambitionen bestreitet. Denn bekanntlich ist man mit angekündigtem Rückzug nur noch die Hälfte wert, wie viel das im Einzelfall auch sein mag.
Dennoch ist es bedauerlich, im Unklaren zu bleiben und nicht die Europa-Merkel vor Augen zu haben. Die Briten könnten sehen, was ihnen bei einem Austritt entgeht und sich ganz gewiss davon umstimmen lassen. Und wir könnten zeigen, dass wir die historische Lektion gelernt haben: Im letzten Jahrhundert überzog Deutschland Europa mit Krieg, jetzt überziehen wir Europa mit Angela Merkel.
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