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Die Fusion gewinnt
Polizei erhält keinen »unbeschränkten« Zugang zum Festivalgelände der »Fusion«
Am Freitagnachmittag erreichte der Konflikt zwischen Behörden und Veranstaltern des linksalternativen Kulturfestivals »Fusion« den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns. Die Linksfraktion beantragte, dass das behördliche Sicherheitskonzept zur Absicherung des in vier Wochen stattfindenden Festivals auf Verhältnismäßigkeit überprüft werde. Der Antrag wurde nach anderthalbstündiger Debatte abgelehnt. Allerdings nahm Innenminister Lorenz Caffier die Forderung der Polizei nach »anlasslosen« Streifen zurück. Man habe »anlassbezogen Zutritt« zum Veranstaltungsgelände. »Das ist das, was die Polizei wollte«, sagte Caffier.
Erst am Donnerstagabend war den Veranstaltern bereits ein erneuter Forderungskatalog mit 30 Auflagen zugestellt worden, wie in der Debatte bemängelt wurde. Das zuständige Ordnungsamt Müritz/Röbel hatte seine Entscheidung zur Zulassung des Sicherheitskonzeptes des Kulturkosmos e.V. vertagt. Ordnungsamtsleiterin Marlen Siegmund sagte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa): »Mehrere Fachämter und Behörden haben noch Fragen an den Veranstalter, die erst geklärt werden müssen«.
In der Debatte erklärte LINKEN-Abgeordnete Eva-Maria Kröger noch einmal die Besonderheit des Festivals. Sie selbst habe das Miteinander damals als heile Welt erfahren, niemand gucke komisch, weil jemand anders sei oder tanze. Nicht weil es sich nicht gehöre, sondern, weil es einfach akzeptiert sei: »Du bist besonders und das ist gut so. Du bist schrill und das ist gut so«, charakterisierte Kröger das Festival. Es sei ein großer Unterschied, ob man zur Fusion-Community gehöre, oder ob man als kritischer Beobachter mit Kontrollabsicht, also als Polizist, komme, erläuterte sie.
Damit traf Kröger den Kern des Problems für die Veranstalter. Im Gegensatz zu anderen Events ist das gesamte Gelände und die Dauer des Festivals als mögliche Auszeit von gesellschaftlichen Konventionen konzipiert. Ein »Halt! Stehenbleiben, ihren Ausweis, bitte!« – unvorstellbar – das Festival wäre damit am Ende.
In der Landtagsdebatte, aber auch im Konflikt mit den Behörden, ist dieser Umstand bislang nicht vermittelbar gewesen. Für die Behörden schien die Abwesenheit von Beamten auf dem Gelände gleichbedeutend zu sein mit einem »rechtsfreien Raum«. Diese Vorstellung wird vom SPD-Abgeordneten Jochen Schulte hinterfragt. Seiner Ansicht nach sei der Umkehrschluss unzulässig, dass nur dann kein »rechtsfreier Raum« existiere, wenn jeder einen Beamten an die Seite gestellt bekomme.
Die Verwechslung von Pause von gesellschaftlichen Konventionen mit rechtsfreiem Raum beschreibt den aktuellen Grundkonflikt zwischen Veranstaltern und Behörden. Bereits im ersten Gespräch im November vergangenen Jahres forderten die Behörden eine stationäre Wache auf dem Gelände einschließlich 24-stündiger Bestreifung, bestätigt der Sprecher des Kulturkosmos e.V. gegenüber »nd« am Donnerstag. »Die Polizei spricht von ‚unbeschränktem Zugang›, das beinhaltet die von uns angesprochenen 'anlasslosen Streifen‹. Einen unbeschränkten Zugang wird es nicht geben. Auf dem Gelände wohnen Menschen, die Backstagebereiche sind Arbeitsbereiche. Hinzu kommt, dass wir Drittfirmen gegenüber verantwortlich sind.« Das Zurückrudern von Behörden und Innenminister ist dem Druck von Anwohner*innen, lokaler Politik und vielen anderen geschuldet. Eine vom Kulturkosmos initiierte Petition hatten über 130.000 Menschen unterschrieben.
Doch auch Experten hielten die Forderung permanenter Polizeipräsenz für überzogen. »Eine stationäre Wache auf dem Festivalgelände steht der Polizei grundsätzlich nicht zu«, meint Clemens Arzt, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der HWR Berlin.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden war die Forderung allerdings nach einer Recherche von Zeit-Online. Diese förderte auch zu Tage, dass durch die Polizei Sicherheitskonzepte und persönliche Daten weitergegeben worden waren. Damit nicht noch einmal Daten des Kulturkosmos weitergegeben werden, wird der Verein eine einstweilige Verfügung anstrengen, sagt der Sprecher des Kulturkosmos.
Die Polizei hatte schon im Vorfeld der Landtagsdebatte signalisiert, dass man das Festival auch mit einer Wache neben dem Festgelände absichern könne. Die Veranstalter waren darüber allerdings nicht informiert worden, teilten diese auf Nachfrage von »nd« mit. »Wir vertrauen auf nichts mehr, was uns nicht schriftlich vorliegt. Dass es keine Wache mehr auf dem Festivalgelände geben soll, ist bislang nur Pressevertretern gegenüber geäußert worden, uns gegenüber nicht«, so der Kulturkosmos. Jetzt können sie aufatmen und in den Endspurt der Vorbereitung gehen. »In den letzten 22 Jahren hat die 'Fusion› bewiesen, dass die Welt nicht aus den Fugen gerät, wenn die Exekutive vier Tage mal nicht dauerpräsent ist«, sagte Kröger nach der Landtagsdebatte.
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Für den Kulturkosmos e.V. ist der zentrale Konflikt zunächst geklärt. Nur knapp vier Wochen, bevor 70.000 Besucher*innen anreisen. Jetzt muss lediglich die Liste der 30 neuen Auflagenforderungen abgearbeitet werden. Allerding ist nicht alles rücknehmbar, was der Konflikt und seine Skandale angerichtet haben. Das bedauert der Kulturkosmossprecher: »Das Vertrauensverhältnis, das die letzten 20 Jahre bestanden hat, ist wohl nicht wieder herstellbar«.
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