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Grundrente statt Mövenpicksteuer
Die SPD will die Grundrente über Steuern finanzieren und belebt die Debatte über ein Hotelprivileg wieder
Die schönste Idee für die Finanzierung der Grundrente ist der Rückgriff auf die Mövenpicksteuer, hinter der sich - anders als es klingt - keine Steuer, sondern im Gegenteil, die Befreiung von einer Steuer verbirgt. Seit 2010 wird für Hotelübernachtungen nur noch eine ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent fällig. Dieses Privileg für Hoteliers ist maßgeblich der FDP zu verdanken, die in der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung darauf hingewirkt hatte und darin von der CSU unterstützt wurde. Beide Parteien hatten zuvor erkleckliche Parteispenden aus dem Umfeld der Milliardärsfamilie von Finck erhalten, die wiederum Miteigentümerin der Mövenpick Gruppe ist, die in Deutschland damals 14 Hotels betrieb. Die Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotels löste eine heftige Debatte über ungerechte Klientelpolitik aus - und geriet dann in Vergessenheit.
Bis jetzt. Denn nun haben sich Finanzminister Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil auf der Suche nach Geldquellen für eines der wichtigsten SPD-Projekte dieser Legislatur daran erinnert. 700 Millionen Euro könnte die Rückabwicklung der Subvention pro Jahr einbringen, rechnen sie vor. Es ist ein Baustein in ihrem Finanzierungsmodell, das Heil am Mittwoch vorstellte.
Der Rentenzuschlag für langjährige Geringverdiener ist im Koalitionsvertrag vereinbart und findet in der Bevölkerung breite Unterstützung. Er soll für heutige und künftige Rentner gelten, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben und trotzdem im Alter zum Sozialamt müssen. Zeiten für Pflege und Kindererziehung sollen mitgezählt werden. Drei Millionen Menschen mit Minirenten könnten von der Grundrente profitieren - zu 80 Prozent Frauen.
Eine Bedürftigkeitsprüfung hält die SPD für unnötig. Darüber wie auch über die Finanzierung gibt es seit Monaten Auseinandersetzungen in der Großen Koalition. Selbst Olaf Scholz war dem Arbeitsminister zuletzt in den Rücken gefallen, als er nach den neuesten Steuerprognosen plötzlich Bedenken anmeldete.
Die Grundrente würde den Bund nach Berechnungen des Arbeitsministeriums ab Einführung im Jahr 2021 rund 3,8 Milliarden Euro kosten. 2025 könnten es dann 4,8 Milliarden Euro jährlich sein. Nach dem Konzept, auf das sich die zuständigen SPD-Minister im Kabinett verständigt haben, sollen diese Summen nun doch vorwiegend aus Steuermitteln finanziert werden. Auf den umstrittenen Griff in die Rücklagen der Rentenkasse will Hubertus Heil verzichten.
Neben der Abschaffung der Hotelsubvention kalkuliert die SPD demnach mit 600 Millionen Euro aus Mitteln des Arbeitsetats sowie aus reformbedingten Steuermehreinnahmen. Zudem rechnet sie mit Mitteln aus der geplanten europäischen Finanztransaktionssteuer in Höhe von 500 Millionen Euro. Den Rest wollen Finanz- und Arbeitsministerium aus zusätzlichen Einnahmen der Krankenversicherung finanzieren, die zum Beispiel durch die Einführung der Mütterrente entstanden sind. Laut Arbeitsministerium stehen diesen Einnahmen keine extra Ausgaben entgegen. Daher könne man diese Mittel künftig abschöpfen.
Heil und Scholz haben sich verständigt, mit der Union wird die Einigung wohl schwieriger. Seit die Pläne im Laufe des Dienstags bekannt geworden waren, hagelt es Verrisse: »Dieses Konzept wird so nie den Bundestag passieren«, kündigte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak an. Die SPD plane mit »Luftbuchungen« und Steuereinnahmen, »die noch gar nicht da sind«; »Wahlkampfmanöver«, »unsolide finanziert« und »ungerecht«, ätzte Gesundheitsminister Jens Spahn. Die Union pocht auf eine Bedürftigkeitsprüfung und verweist auf den Koalitionsvertrag, der eine solche Regelung vorsieht.
Unterstützer der Grundrente wie Sozialverbände und Gewerkschaften forderten am Mittwoch hingegen eine schnelle Umsetzung. »Die Union darf dies nicht länger blockieren«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Zugleich fänden Gewerkschaften eine vollständige Finanzierung aus Steuermitteln besser. Die LINKE, die die Grundrente für zu niedrig hält, nennt das Konzept einen »Schritt in die richtige Richtung«. Allerdings würden durch die »harte Abbruchkante bei 35 Jahren« neue Ungerechtigkeiten geschaffen, warnte LINKE-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Hier müsse es Übergänge geben. Seine Partei sieht weitere Finanzierungsoptionen. Zum einen durch die kommenden Steuerzuwächse, deren Anstieg nur etwas kleiner ausfällt als vor einigen Monaten gedacht, zum anderen durch die Beibehaltung des Soli. Nachhaltiger wäre aus Sicht der LINKEN ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf Euro, was den Bedarf für Rentenzuschüsse senken würde. Niedriglöhne sind die häufigste Ursache für Altersarmut.
Und was sagt die FDP? Sie findet die Pläne »haarsträubend«. »Das ist kein seriöses Finanzierungskonzept«, entschied Johannes Vogel, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.
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