Alter allein ist kein Härtefall

BGH verlangt Gutachten beim Widerspruch gegen Eigenbedarfskündigungen von Mietverträgen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.

Kündigen Wohnungseigentümer Mietverträge wegen Eigenbedarf, können sich Mieter prinzipiell mit der Härtefallklausel wehren. Aber wann ist ein Härtefall tatsächlich gegeben? Zwei Fälle dazu lagen dem Bundesgerichtshof jetzt zur Beurteilung vor. Einmal ging es um eine über 80-jährige demenzkranke Frau aus Berlin, im anderen Fall um einen unter Betreuung stehenden pflegebedürftigen Mann aus dem sachsen-anhaltischen Kabelsketal bei Halle. Beide erhielten von ihren Vermietern eine Kündigung der Wohnung wegen Eigenbedarfs. Beide wollten das nicht hinnehmen und legten den Vorinstanzen ärztliche Atteste vor, nach denen sich ihr Gesundheitszustand im Falle eines Umzuges deutlich verschlechtern würde.

Die Urteile fielen in den Vorinstanzen unterschiedlich aus. Das Landgericht Berlin bestätigte einen Härtefall und entschied deshalb, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden müsse. In Sachsen-Anhalt gaben die Gerichte dagegen der Räumungsklage statt. Beide Urteile hob der BGH auf. Es sei »vorschnell« jeweils zugunsten einer der beiden Parteien entschieden worden, so die Vorsitzende Richterin Karin Milger.

Der BGH verwies beide Fälle zurück an die Vorinstanzen: Bei Vorlage eines ärztlichen Attests müssen die Gerichte nun von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen, der Sache also auf den Grund gehen. Das sei nicht geschehen. Die Härtegründe, die einem Umzug entgegenstehen, dürften nicht bagatellisiert, sondern müssten im Einzelfall genau geprüft werden. Begründet sei das damit, dass sowohl auf Seiten des Vermieters wie auf der des Mieters grundrechtlich geschützte Belange, nämlich Eigentum und Gesundheit, betroffen seien.

Der Bundesgerichtshof lehnte es »entgegen einer teilweise anzutreffenden Tendenz« auch ab, allgemeine Fallgruppen zu bilden, wie ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine längere Mietdauer. Diese Faktoren würden sich je nach Persönlichkeit und Verfassung des Mieters völlig unterschiedlich auswirken und reichten nicht aus, grundsätzlich eine Härte darzustellen. In Zukunft dürfte das dazu führen, dass nicht nur Gutachter mehr Arbeit bekommen, sondern auch dazu, dass die Verfahren länger und aufwendiger werden. Die Gutachten sollen unter anderem bewerten, ob sich die gesundheitlichen Folgen eines Umzugs nicht durch Unterstützung aus dem Umfeld oder medizinische Maßnahmen mindern ließen. Endlose Debatten um die Zumutbarkeit solcher Interventionen sind absehbar.

Scharfe Kritik zu den Urteilen kam vom Berliner Mieterverein: »Der BGH drückt sich um eine Klarstellung, zu Lasten tausender Mieter«, so Geschäftsführer Reiner Wild. Der Verein appelliert an die Bundesregierung, bei der angestrebten Mietrechtsänderung auch den Kündigungsschutz zu stärken. Mit Agenturen

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