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Ein fragwürdiges Finale
Der Austragungsort Baku bestimmt die Schlagzeilen vor dem Endspiel der Europa League
Es ist eine fragwürdige Premiere: Zum ersten Mal wird ein Europapokalfinale in Aserbaidschan ausgetragen. Im Nationalstadion der Hauptstadt Baku werden die Londoner Fußballklubs Arsenal und Chelsea am Mittwoch um den Titel in der Europa League kämpfen. Während diese englische Paarung eine spannende Begegnung auf dem Rasen verspricht, wirft der Austragungsort abseits des Platzes viele Fragen auf.
Aserbaidschan versucht bereits seit mehreren Jahren, über den Sport an internationalem Ansehen zu gewinnen. Dies löst jedoch auch immer wieder Kritik aus, denn Presse- und Meinungsfreiheit werden unter Präsident Ilham Alijew oft missachtet.
Die Klagen gehen diesmal aber zuallererst von den Vereinen aus. Besonders Arsenal gefällt die Vergabe durch den europäischen Dachverband UEFA nicht, weil die »Gunners« auf einen ihrer wichtigsten Akteure verzichten müssen: Der Armenier Henrich Mchitarjan steht nicht im Kader. Aufgrund des Konfliktes zwischen Aserbaidschan und seinem Heimatland zog es der ehemalige Dortmunder in Absprache mit seinem Verein vor, aus Sicherheitsgründen nicht nach Baku mitzureisen.
Armenien und Aserbaidschan streiten sich seit Jahrzehnten um das Gebiet Bergkarabach - ein kleiner selbsternannter Staat, der völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, in dem aber eine Mehrheit von Armeniern lebt. Der Konflikt schwelt bereits seit dem Ende der 80er Jahre. Die armenische Armee unterstützte Bergkarabach, das 1991 schließlich seine Unabhängigkeit erklärte. Der bewaffnete Konflikt verursachte rund 30 000 Tote. Seit der Waffenruhe von 1994 kommt es wie zuletzt 2017 noch sporadisch zu Angriffen zwischen Aserbaidschan und Armenien, die sich offiziell immer noch miteinander im Krieg befinden.
Die Konsequenzen sind konkret spürbar. Armenischen Bürgern werden Einreisevisa im Allgemeinen verweigert. Ausnahmen sind selten. Zum Beispiel konnten Athleten aus Armenien bei den Europaspielen 2015 in Baku starten. Auch wenn die UEFA vermittelte und Aserbaidschan am vergangenen Dienstag Mchitarjan eine problemlose Einreise zusicherte, beschloss der 30-Jährige, lieber daheim zu bleiben - so wie er es bereits 2015 vor der Partie von Borussia Dortmund gegen Qabala FK und 2018 vor Arsenals Duell mit Karabach FK tat. »Wir haben nicht oft die Möglichkeit, um einen Titel zu spielen. Daher tut es mir sehr weh, dass ich das Finale verpasse«, schrieb Mchitarjan auf Instagram. »Ich werde meine Teamkollegen anfeuern. Bringt den Pokal nach Hause!«
Neben Arsenal hat auch Chelsea seine Probleme mit Baku, denn beide Londoner Klubs werden im Endspiel auf viele ihrer sonst in großer Zahl mitreisenden Fans verzichten müssen. Die UEFA gewährte den Finalisten nur 6000 Tickets, obwohl insgesamt 68 700 Zuschauer in Bakus Nationalstadion passen. Grund seien die schlechten Reisemöglichkeiten von England nach Aserbaidschan: Es gibt fast keine Direktflüge zwischen London und Baku.
Die UEFA verteidigte sich gegen die in den vergangenen Wochen immer lauter werdende Kritik. »Es ist unmöglich zu wissen, welche Vereine im Finale stehen werden, wenn der Austragungsort zwei Jahre im voraus festgelegt wird«, schrieb der Verband. Es wäre verantwortungslos gewesen, den Fans mehr Tickets anzubieten ohne eine Garantie, dass sie unter angemessenen Bedingungen nach Baku hätten reisen können.
Dennoch bleibt die Vergabe fragwürdig. Die UEFA will seit Jahren ihre Endspiele auf immer mehr Länder verteilen. So wurde der Super Cup 2015 in Georgien, 2017 in Nordmazedonien und 2018 in Estland ausgespielt. Für Baku sprach diesmal aber sicher nicht nur der Neuigkeitswert, sondern auch die State Oil Company of Azerbaijan Republic, kurz SOCAR. Die landeseigene Erdölgesellschaft ist seit 2013 einer der Hauptsponsoren der UEFA und wird von Rovnag Abdullayev geleitet, dem Präsidenten des nationalen Fußballverbandes. Laut »Sport Sponsorship Insiders« zahlt SOCAR jährlich 20 Millionen Euro, die speziell für die Organisation der Europameisterschaften 2016 und 2020 eingesetzt werden. So verwundert es kaum, dass Baku vier EM-Spiele 2020 zugeteilt wurden. Egal, wie schwer die Anreise für die Fans auch sein mag.
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