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Judenhass, Staat und Zivilgesellschaft
Micha Brumlik fordert mehr konkretes Handeln im Kampf gegen Antisemitismus
Ja, Felix Klein ist ein besorgter und umtriebiger Mann, gleichwohl - oder deshalb? - sorgt er für Verwirrung. Als »Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus« hat er in der letzten Woche widersprüchliche Botschaften verbreitet: Während er zunächst Juden in Deutschland davor warnte, in der Öffentlichkeit eine Kippah zu tragen, meldete er sich wenige Tage später mit dem Vorschlag zu Wort, dass am Samstag alle Bürger des Landes eine Kippah tragen sollten - nicht zuletzt aus Solidarität mit jenen Juden, die gegen den israelfeindlichen »Al Quds«-Marsch islamistischer Verbände protestieren.
Treten wir einen Schritt zurück: In den Sozialwissenschaften ist es üblich, zwischen Beobachter- und Teilnehmerperspektive zu trennen - umgangssprachlich könnte man auch den Blick Außenstehender vom Blick unmittelbar Betroffener unterscheiden. Aus der Perspektive von Beobachtern waren und sind Kleins Einlassungen ein aufschlussreicher Hinweis auf die aktuelle politische (Un)Kultur in Deutschland, während die Reaktionen von Teilnehmern von der Zustimmung des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster bis zu der geharnischten Kritik des jüdischen Publizisten Michel Friedman reichten.
Was freilich bisher nicht auffiel, war, dass Klein so gut wie nichts bezüglich der Institutionen äußerte, die er tatsächlich vertritt: nämlich die Regierung der Bundesrepublik sowie - vermittelt - die Regierungen der Bundesländer. Indem sich Felix Klein hier an die jüdische Gemeinschaft und dort an eine aufgeschlossene Zivilgesellschaft wandte, vernachlässigte er den Bereich jenes politisch-staatlichen Betriebs, für den er im engeren Sinne zuständig ist. Schließlich sind der Politik die Hände in zwei entscheidenden Bereichen keineswegs gebunden: hinsichtlich der Belehrung und Bildung der künftigen StaatsbürgerInnen, was »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit« (Wilhelm Heitmeyer) betrifft sowie der deutlichen Verbesserung staatlicher Wachsamkeit und Repression.
Obwohl der Bundestag gerade mit Mehrheit eine nicht unumstrittene Entschließung zu BDS und sogenanntem »linkem« »israelbezogenem Antisemitismus« verabschiedet hat, gehen in überwiegender Mehrheit von Rechtsextremisten begangene Hassverbrechen gegen Juden in Wort und Tat immer weiter. Tatsächlich konnten »nach Chemnitz« Gruppen von Neonazis ungestört durch Dortmunds Straßen paradieren und dabei ungestört schreien: »Wer Deutschland liebt, ist Antisemit.« Die Polizei ließ sie gewähren.
Daher: Die Ideologien Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Islamophobie - die als Ideologien zwar gemeinsame Züge tragen, aber keineswegs unterschiedliche Ausformungen desselben darstellen - müssen allen künftigen BürgerInnen dieser Gesellschaft kritisch erklärt werden. Gewiss: Bildung ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Bildung. Daher sollten in Zukunft alle künftigen Lehrerinnen und Lehrer - egal, ob sie Biologie, Musik, Sport oder Geschichte vertreten - obligatorisch in ihrem Lehramtsstudium Kurse über deutsche Geschichte zumal des NS und des Holocaust belegen, damit sie später in Klassen und auf dem Schulhof bei hasserfülltem, menschenfeindlichem Mobben eingreifen können.
Darüber hinaus ist auch - horribile dictu - die Praxis der Repression entscheidend zu verbessern. Zu fordern ist deshalb die Einrichtung einer speziellen Abteilung für »Hassdelinquenz« beim Bundeskriminalamt sowie sämtlicher Landeskriminalämter. Diese Abteilungen hätten sich nicht nur judenfeindlichen, sondern auch sexistischen, rassistischen und islamophoben Delikten, ihrer Verfolgung, Vorbeugung und Aufklärung zu widmen. Das sind Projekte und Fragen, die ich, bei allem Respekt, von einem Beauftragten der Bundesregierung erwartet hätte. Die Zivilgesellschaft wird schon für sich selber sorgen.
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