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SPD soll von Trio geführt werden
Debatte um Urwahl, Doppelspitze und GroKo-Ende / Gysi: SPD muss GroKo so schnell wie möglich verlassen
Düsseldorf. Die SPD soll nach dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles zunächst kommissarisch von einem Trio geführt werden. Die engere Parteiführung schlug dafür dem Vorstand am Montag die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, sowie den hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Parteikreisen erfuhr. Schwesig und Dreyer wollen aber nicht für den Vorsitz kandidieren. Sie würden die Partei nur für den Übergang bis zu einer Neuwahl des Vorsitzenden führen, erklärten die beiden SPD-Politikerinnen am Montag. »Das schließt gleichzeitig aus, dass wir für den Parteivorsitz kandidieren«, sagte Schwesig.
Nahles hatte am Sonntag ihren Rückzug von Fraktions- und Parteispitze angekündigt. Sie begründete ihren Schritt mit mangelndem Rückhalt in den eigenen Reihen. Bei der Europawahl war die SPD mit nur noch 15,8 Prozent drittstärkste Kraft hinter Union und Grünen geworden.
Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) hat sich unterdessen für eine Befragung der SPD-Mitglieder über den Verbleib in der Koalition ausgesprochen. Auch über die Nachfolge von Nahles sollten die Mitglieder befragt werden, sagte Lange, die im vergangenen Jahr mit Nahles um das Amt der Parteivorsitzenden konkurriert hatte, am Montag im Deutschlandfunk.
»Ich glaube tatsächlich, dass jetzt Platz gemacht werden muss für neue frische Gesichter, die unverbraucht sind«, sagte Lange dem Deutschlandfunk am Montag. Ob sie bei einer möglichen Urwahl antreten würde, wisse sie noch nicht. Als allererstes gehe es um die Frage, »auf welchem Weg geht es weiter, nicht einfach nur Namen nennen«, sagte Lange.
Lange wirbt insbesondere für eine stärkere Beteiligung der Parteimitglieder bei wichtigen Entscheidungen. »Wir könnten zum Beispiel auch uns öffnen und sagen, wir bieten eine Doppelspitze an mit der Wahl des neuen Bundesvorstandes, wir bieten an eine Urwahl, wir bieten an, auf Parteitagen Dinge zu entscheiden, die im Moment nur der Konvent entscheidet.« Mit einer Doppelspitze könnten »Frau und Mann wirklich auch zeigen«, dass »beide Geschlechter immer auch auf Augenhöhe« vertreten seien. Andere Parteien machten das längst vor.
Lange hatte gegen Nahles auf dem Bundesparteitag im April 2018 überraschend starke 27,6 Prozent geholt. Sie gilt als Vertreterin des linken Parteiflügels. Eine erneute Kandidatur schloss die Norddeutsche indes nicht aus. In der SPD müsse nun Platz gemacht werden für neue frische Gesichter, sagte sie.
Erneut warb Lange für den Ausstieg aus der GroKo. Hierüber sollten die SPD-Mitglieder abstimmen. »Die Partei hat die Mitglieder gefragt, als es um die GroKo ging, und sie sollte auch jetzt die Mitglieder fragen, ob sie aussteigen soll oder nicht«. Sie schob im Deutschlandfunk hinterher: »Ich glaube, der Ausstieg muss kommen.«
Das will auch die SPD in Sachsen-Anhalt. Man sehe keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU, teilte der Landesverband am Montag mit. Die SPD sei in bedrohlicher Lage, erklärte Fraktionschefin Katja Pähle, die auch im Parteivorstand der Sozialdemokraten sitzt. »Neue Chancen können wir uns nur erarbeiten, wenn wir zur Zukunft unserer Partei klar und unmissverständlich Position beziehen.«
Die SPD solle künftig von einer Doppelspitze geführt wird. Das Parteistatut müsse entsprechend geändert werden. Auch den Landes- und Bezirksverbänden solle es ermöglicht werden, künftig gemeinsam von einer Frau und einem Mann geführt zu werden.
Die Sachsen-Anhalt-SPD forderte, den für Dezember geplanten Bundesparteitag auf einen Termin vor den Landtagswahlen im Osten vorzuziehen. Dort müsse der gesamte Parteivorstand neu gewählt und über den Verbleib in der großen Koalition entschieden werden.
Bereits SPD-Vize Ralf Stegner hatte sich offen dafür gezeigt, den neuen Parteivorsitzenden per Urwahl zu bestimmen. »Das hängt von den Umständen ab, ob es mehrere Kandidaten oder Kandidatinnen gibt«, erklärte er der »Rheinischen Post«. Der Parteivize mahnte für die Suche der Nachfolge der scheidenden Parteichefin Andrea Nahles ein transparentes Verfahren an: »Hauptsache ist, dass alle notwendigen inhaltlichen, organisatorischen und personellen Weichenstellungen in einem offenen und transparenten Verfahren vorgenommen werden«, so Stegner.
Klar ist bereits seit Sonntag, dass der Kölner SPD-Abgeordnete und Fraktionsvize Rolf Mützenich kommissarisch die Führung der Fraktion übernehmen soll. Die ursprünglich für Dienstag geplante Neuwahl des Fraktionsvorsitzes wird nicht stattfinden. Als wahrscheinlich gilt, dass die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer dem Parteivorstand für eine Übergangszeit als kommissarische Parteivorsitzende vorgeschlagen wird.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz schloss bereits aus, dass er neuer SPD-Vorsitzender wird - sowohl kommissarisch als auch dauerhaft. Das sei mit dem Amt eines Bundesministers der Finanzen zeitlich nicht zu schaffen, sagte er in der ARD-Sendung »Anne Will«. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil signalisierte am Sonntag bereits im NDR, dass er keinen Wechsel nach Berlin anstrebe: »Ich bin und bleibe furchtbar gerne Ministerpräsident aus Niedersachsen und habe keine anderen Ambitionen.«
Als mögliche Nachfolger von Nahles an der Parteispitze gilt deshalb vor allem die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Als möglicher Kandidat für den Fraktionsvorsitz gilt der bisherige Vizechef Achim Post. Der SPD-Linke Matthias Miersch und Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatten noch vor der Rücktrittsankündigung erklärt, nicht gegen Nahles antreten zu wollen - was nicht automatisch bedeutet, dass sie eine Kandidatur grundsätzlich ausschließen.
Bisher war ein SPD-Parteitag für Dezember vorgesehen. Auf dem Konvent sollte der Vorsitz neu gewählt und Bilanz zur großen Koalition gezogen werden. Erwogen wird nun, den Konvent auf die Zeit nach der Sommerpause vorzuziehen.
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach sich jedoch gegen ein Vorziehen des Parteitags aus. Das sei nicht sinnvoll, »weil wir gerade voll in Arbeit sind, zum Beispiel in der Gesundheitspolitik und der Arbeitsmarktpolitik«, sagte er der »Passauer Neuen Presse«. Wenn man das jetzt unterbreche, werde die Bilanz noch zu mager sein.
Der ehemalige LINKEN-Fraktionschef Gregor Gysi hat der SPD geraten, nach dem Rücktritt von Nahles die schwarz-rote Koalition zu verlassen. »Es hilft alles nichts: Die SPD muss so schnell wie möglich, also noch in diesem Jahr, die Große Koalition verlassen und versuchen, ein Gegenüber zur Union zu werden«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Andernfalls versinke die SPD schon bald in Bedeutungslosigkeit.
Die mangelhafte Glaubwürdigkeit der SPD sei ein Problem, so Gysi, und daran habe Parteichefin Nahles großen Anteil. »Andrea Nahles' größter Fehler war meines Erachtens ihre Zustimmung zur zweiten Großen Koalition hintereinander. Martin Schulz und sie haben nach der Wahl diese Koalition abgelehnt, um ihr dann doch wieder zuzustimmen.« Agenturen/nd
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