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Wo Sozialdemokraten gewinnen können
Kurz vor der dänischen Parlamentswahl liegt die Mitte-links-Opposition in Front
Eine kampfgestimmte Mitte-links-Opposition und ein müde wirkender bürgerlicher Block haben sich schon seit Monaten, lange vor dem offiziellen Beginn des dänischen Wahlkampfes, einen politischen Schlagabtausch geliefert. Am Mittwoch, dem Verfassungstag Dänemarks und halboffiziellen Nationalfeiertag, ist es nun endlich soweit. Die Wähler können entscheiden, ob es weitergehen soll wie bisher oder ob es künftig eine Politik geben soll, die sich auf Klima- und Sozialfragen konzentriert. Die Zeichen für letzteres Szenario stehen gut. Laut Meinungsumfragen gibt es seit einem guten Jahr innerhalb der dänischen Bevölkerung eine Mehrheit für den Machtwechsel.
Der Rechtsblock, bestehend aus traditionellen konservativen und liberalen Parteien sowie der nationalkonservativen Dänischen Volkspartei (DF), musste sich bereits schmerzlich notieren, dass ihr bislang erfolgreichstes Thema der Wahlen seit dem Jahr 2001, die stramme Ausländerpolitik, seine Anziehungskraft verloren hat. Auch kleinere Steuererleichterungen, minimale Änderungen der Rentenpolitik und kleine Justierungen bei der Gesundheits- und Ausbildungspolitik haben nicht den Eindruck verwischen können, dass Parteien das Land regieren, die keine neuen Ideen vorweisen können.
Dass sie nun auf einmal die Klimapolitik für sich entdeckt haben, ändert nichts an dieser Tatsache. Zudem muss die DF, die wichtigste Stütze der Koalition, die Schmach erleben, dass zwei andere und noch radikalere Parteien sie in der Ausländerpolitik weit rechts überholt haben. Ob diesen der Einzug in das Kopenhagener Parlament, den Folketing, gelingen wird, ist eine offene Frage. Auf jeden Fall lässt sich allerdings konstatieren, dass der bürgerliche Block stark zersplittert ist.
Die Chance für Mette Frederiksen, die Vorsitzende der Sozialdemokraten, die nächste Ministerpräsidentin zu werden, stehen hingegen gut. Die Partei liegt seit langem über der 25-Prozent-Marke und dürfte somit die stärkste Kraft im neu gewählten Parlament werden. Sie hat nämlich die offene Flanke der Partei, die relativ entspannte Haltung zu Einwanderung und Asyl, geschlossen. Die Sozialdemokraten haben seit einiger Zeit die harte Politik der Dänischen Volkspartei weitgehend kopiert. Eine Aufweichung oder den Stopp der sogenannten vorläufigen Grenzkontrolle hat sie kategorisch abgelehnt. Da diese Haltung von großen Gruppen in der Bevölkerung geteilt wird, entfällt ein wichtiger Grund, bürgerliche Parteien zu wählen.
Die Sozialdemokraten versprechen Verbesserungen in nahezu allen Belangen der Sozial-, Gesundheits-, Ausbildungs-, Renten- und Umweltpolitik. Aber alle Formulierungen sind so gefasst, dass sie immer einen Ausweg lassen für Anpassungen, falls das Geld letztlich nicht reichen sollte. Frederiksens Ziel ist es, stärkste Partei zu werden, um eine Minderheitsregierung zu bilden, die vorzugsweise mit den Stimmen der Linkspartei, aber bei Möglichkeit auch der bürgerlichen Parteien, regieren wird.
Ob der sozialdemokratische Plan aufgeht, wird maßgeblich von der Stimmenverteilung bei den übrigen linken Parteien abhängen. Diese haben alle dafür gekämpft, bei dieser Wahl Klima- und Sozialfragen in den Vordergrund zu rücken und damit nach Lage der Dinge Erfolg gehabt.
Falls die Volkssozialisten (SF) ein so gutes Ergebnis erzielen sollten, wie die Umfragen mit knapp zehn Prozent voraussagen, wäre ein treuer Verbündeter für die Sozialdemokraten sicher mit einer Reihe von Abgeordneten im Parlament vertreten. Die unbekannte Größe ist, ob die Weitergabe des unerwartet gewonnenen zweiten Mandats bei den Europawahlen an die Drittplatzierte, sehr junge und unbekannte Kandidatin, damit der eigentliche Gewinner für das nationale Parlament antreten kann, Einbußen bringt. Der Shitstorm im Netz war nach diesem Vorgehen jedenfalls gewaltig. Abgesehen davon hat SF sich von der schmerzhaften Regierungsteilnahme vor einigen Jahren erholt, ein solides grün-rotes Image wiederaufgebaut und verfügt über solide Kandidaten.
An Anziehungskraft eingebüßt hat, zumindest in den Umfragen, die rot-grüne Einheitsliste. Sie muss aufgrund des Rotationsprinzips auf bewährte Politiker verzichten und hat insgesamt gesehen weniger Durchschlagskraft gezeigt als in den vergangenen Jahren. Auch die halbherzige Profilierung ihrer Sprecherin als Kandidatin für den Posten des Ministerpräsidenten kam nicht gut an. Die Idee war eigentlich, eine wirkliche linke Alternative zu präsentieren, um die Sozialdemokraten nach links zu pressen. Stimmen linker Wähler fließen in der Regel zwischen SF und Einheitsliste, so dass politische Details und Augenblicksstimmungen das Kräfteverhältnis zwischen ihnen beeinflussen.
Die hohen Erwartungen von links nach Jahren bürgerlicher Dominanz werden es Frederiksen nicht leicht machen, eine Regierung zu bilden und mehrere Anläufe für eine Regierungsbildung sind denkbar. Nicht unterschätzt werden sollte allerdings auch die Möglichkeit, dass der liberale Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen das Steuer in letzter Sekunde des Wahlkampfs noch herumreißen kann. Denn auch bei den EU-Wahlen gelang seiner Partei ein überraschender Erfolg. Sie wurde gegen alle Erwartungen die stärkste Kraft. Mette Frederiksen hat eingeräumt, jeden Abend ihr Mantra zu wiederholen, dass der Sieg noch nicht errungen ist. Sie hat allen Grund dazu.
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