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Es gibt kein Recht auf Abschiebung

Polizei und Innensenator erklären Flüchtlingsunterkünfte zum grundgesetzfreien Raum

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Integrationsverwaltung sieht man die Kontroverse mit dem Innensenat gelassen. »Unsere Auffassung vom Artikel 13 des Grundgesetzes, der die Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistet, ist gerichtlich bestätigt. Wir sorgen deshalb jetzt dafür, dass geltendes Recht umgesetzt wird«, sagt Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE). Sowohl das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg als auch das Kammergericht Berlin hatten zu Beginn des vergangenen Jahres entschieden, dass das Eindringen in Flüchtlingsunterkünfte eine Durchsuchung darstellt und daher eines richterlichen Beschlusses bedarf.

Am Montagnachmittag war im rot-rot-grünen Senat ein Streit zwischen Breitenbach und Innensenator Andreas Geisel (SPD) darüber entbrannt, ob und in welchen Fällen die Berliner Polizei dennoch unmittelbaren Zwang im Fall von Abschiebungsvollzug anwenden darf - das heißt, ohne Durchsuchungsbeschluss in Flüchtlingsunterkünfte eindringen, Personen kontrollieren und gegebenenfalls zum Zweck der Abschiebung verhaften.

Da es im vergangenen Jahr, so die Pressesprecherin Breitenbachs, bei den Betreibern von Flüchtlingsunterkünften hierzu kein einheitliches Vorgehen gegeben habe, habe man diesen Ende Mai seitens der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mitgeteilt, dass Polizeibeamt*innen, die ohne Durchsuchungsbeschluss erscheinen, um Personenkontrollen zum Zweck von Abschiebungen durchzuführen, der Zutritt nicht gestattet werden dürfe. Innensenator Geisel will die Weisung als eine »temporäre« verstanden wissen, bis »zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen überbrückt« seien. Das sieht man in Breitenbachs Verwaltung anders.

Die Liste von auf diese, seit 2018 juristisch verurteilte, Art vollzogenen Abschiebungen aus Unterkünften heraus ist unterdessen lang. Meistens kommt die Polizei in der Nacht. Beamt*innen dringen ohne entsprechenden Beschluss in Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LAE), Jugendhilfewohnungen für junge Flüchtlinge und gewöhnliche Mietwohnungen ein. Sie überraschen geflüchtete, häufig traumatisierte Menschen im Moment größter Wehrlosigkeit - im Schlaf. Nicht selten eskalieren die unter diesen Umständen vollzogenen Personenkontrollen und Verhaftungen zum Zweck der Abschiebung. Manche der betroffenen Menschen wehren sich gegen den Einsatz, anderen wird die Unterstützung durch Betreuer*innen oder juristischer Beistand verweigert.

In Berlin hatten sich Beamt*innen der Polizei zuletzt in der Nacht auf den 9. Mai in eine Lichtenberger Jugendhilfewohnung Einlass verschafft. Dort forderten sie den 18-jährigen Hamid F. auf, Ausweisdokumente vor- und seine Fluchtgeschichte darzulegen. Der junge Afghane, der aufgrund seiner Traumatisierung starke Medikamente bekommt, um schlafen zu können, so Nora Brezger vom Berliner Flüchtlingsrat, habe nicht verstanden, was die Beamt*innen von ihm wollten. Er habe sie hereingelassen und ihnen die Telefonnummer des diensthabenden Bereitschaftsbetreuers gezeigt. Dieser soll jedoch nicht benachrichtigt worden sein. Der 18-Jährige befindet sich mitten im Asylverfahren. Ihm sei von den Beamten angedroht worden, abgeholt und abgeschoben zu werden, wenn er nicht am nächsten Tag in der Ausländerbehörde vorspreche, sagt Brezger, dies könne nur »als rechtswidrige Bedrohung und Nötigung verstanden werden«.

»Solche Einsätze machen Angst. Diese Angst ist Gift für die Stabilisierung der Jugendlichen und ihre Lernerfolge«, sagt Tobias Klaus vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, angesichts dieses Falls. Dieser gibt aber auch einen Hinweis darauf, dass es für Berliner Polizeibeamt*innen nicht entscheidend ist, ob eine Abschiebung rechtskräftig ist oder nicht. Der Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, erklärte angesichts der Senatskontroverse, dass die angewiesene Umsetzung der Urteile die polizeiliche Vollstreckung von Amtshilfe verhindere. Er sieht die Angelegenheit allein auf dem Rücken von Beamt*innen ausgetragen, die sich, »wenn das so weitergeht, ihren Weg bald sparen können«.

Im vergangenen Jahr haben die Polizeieinsätze mit Hunderten von Beamten unter anderem in Bayern für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Dort hatten sich Geflüchtete gemeinsam Abschiebeversuchen entgegengestellt. Die daraufhin gegen sie ausgeübte Polizeigewalt wurde zum Gegenstand von Gerichtsverfahren. Flüchtlingsräte und Geflüchtete kennen solche Vorkommnisse auch aus brandenburgischen Einrichtungen. Der Flüchtlingsrat Berlin hatte das Urteil zur Anwendung des Artikels 13 Grundgesetz begrüßt. Nun müsse es auch angewendet werden.

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