- Politik
- Hartz IV
»Die anderen müssen sich positionieren«
LINKE-Politikerin Susanne Ferschl will den Hartz-IV-Satz sofort auf 582 Euro erhöhen - als ersten Schritt
Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet laut Umfragen Änderungen bei Hartz IV. Die größte Gruppe fordert gar einen radikalen Umbau. Auch die SPD hatte im letzten Jahr angekündigt, Hartz IV hinter sich zu lassen. Warum ist dennoch so wenig passiert?
Die SPD hat es bei Ankündigungen gelassen. Und inhaltlich meinten sie Hartz IV hinter sich zu lassen, ohnehin nicht ernst. Sie wollten ja nicht einmal den Regelsatz erhöhen und nur Sonderbedarfe wieder einführen. Aber ja, deswegen wollen wir als LINKE nun einen erneuten Aufschlag machen: Hartz IV muss weg.
Sie fordern in Ihrem Antrag, den Regelsatz von derzeit 424 Euro sofort auf 582 Euro zu erhöhen. Wie kommen Sie auf diesen Wert?
Der Regelsatz wird derzeit künstlich niedrig gerechnet, vor allem soziale Teilhabe wird zu wenig berücksichtigt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das schon kritisiert. Es urteilte 2014, dass sich die gegenwärtige Berechnung gerade noch so an der Grenze dessen bewegt, was zur Sicherung des Existenzminimums geboten ist. Wenn man alles korrekt berechnen würde, käme man derzeit auf diese 582 Euro.
Bislang hat Linkspartei 1050 Euro Mindestsicherung für Erwerbslose gefordert. Warum fallen Sie nun dahinter zurück? Als Oppositionspartei können Sie doch ohnehin fordern, was Sie wollen?
Unser Ziel bleibt es, Hartz IV ganz abzuschaffen. Die 582 Euro verstehen wir als ersten Schritt, dem unbedingt die Erhöhung auf 1050 Euro folgen muss. Mit unserer neuen Forderung sind wir eingebettet in ein großes Lager. Das gibt dem ganzen natürlich Stärke. Von der Nationalen Armutskonferenz, über die Volkssolidarität, bis zum Paritätischen und dem DGB - all diese wichtigen Akteure fordern genau diese Veränderung schon lange. Zudem wollen wir die Erhöhung des Wohngelds. Beides würde die Situation von Hartz-IV-Beziehenden sofort erheblich verbessern.
Der Wegfall von Sanktionen ist nicht Teil Ihres neuen Antrags. Wie wollen Sie denn so Hartz IV abschaffen?
Auch die sollen natürlich abgeschafft werden. Wir sind aber als LINKE etwas davon abgerückt, immer alles auf einmal, in einem einzigen Antrag zu fordern. Damit verringert sich die Aufmerksamkeit für die einzelnen Aspekte - obwohl sie alle extrem dringend sind. Deswegen wird es in den nächsten Wochen einen separaten Antrag von uns im Bundestag zu sofortigen Abschaffung aller Hartz IV-Sanktionen geben.
Wollen Sie mit Ihrem neuen Konzept anschlussfähiger für andere Parteien werden?
Wir wollen die Debatte wieder in Fahrt bringen. Anfang Januar war Hartz IV Überwinden ein großes Thema, nun flacht das ganze wieder ab - ohne dass sich irgendetwas verändert hat. Wir LINKE sehen es als unsere Aufgabe das Thema wieder auf die Agenda zu holen. Und die anderen Parteien, die Hartz IV abschaffen wollen, müssen sich dann positionieren.
Erwerbslose sind eigentlich Kernklientel der Linkspartei. Bei der Europawahl sind Sie in dieser Gruppe aber nur auf Rang fünf gelandet - bei den im Bundestag vertretenen Parteien wurde nur die FDP von noch weniger Arbeitslosen gewählt. Gauben Sie, dass Ihre neue Forderung da helfen wird?
Wir wollen mit dem Konzept ein Angebot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Erwerbslose schaffen. Während die anderen still sind, treiben wir die Debatte weiter. Aber ja, grundsätzlich ist das eine Herausforderung für uns. Das Ergebnis der Europawahl muss uns dran erinnern, das Thema weiterzuentwickeln. Das wollen wir auch mit unserer neuen Sozialstaatsstrategie angehen.
Können Sie dazu Details nennen?
Ein wichtiger Aspekt von uns wird es neben der Abschaffung von Hartz IV sein, ein linkes Modell der Arbeitslosenhilfe vorzulegen. Diese Leistung orientiert sich am vorherigen Verdienst und greift, bevor Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind. Das wollen wir bis zum Herbst erarbeiten.
Die Wiedereinführung der Arbeitslosenhilfe haben Sie ja schon jetzt im Parteiprogramm. Was wird das Neue sein?
Es geht uns nun um die genaue Ausgestaltung. Und wir wollen nicht einfach nur das alte Modell eins zu eins wieder zurückholen. Unser Konzept wird auch einige neue Ansätze beinhalten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.