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Für das Leben, gegen den Tod
Zwei Ausstellungen über Politik im Werk des Pablo Picasso.
Picasso ist nicht nur der wohl bedeutendste Maler des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein Mann, der die Macht seines Namens bewusst für politische Anliegen eingesetzt hat, die ihm wichtig waren. Davon zeugen zwei Ausstellungen, die gegenwärtig in Frankreich zu sehen sind - »Picasso und das Exil« im Kulturzentrum Les Abattoirs in Toulouse und »Picasso und der Krieg« im Armeemuseum im Pariser Hôtel des Invalides.
Picasso war nie Soldat. In Spanien war er aus gesundheitlichen Gründen freigestellt und in Frankreich, weil er neutraler Ausländer war. Doch das Thema Krieg hatte ihn schon als Kind beschäftigt. Da zeichnete er auf den Rand von Heften und Büchern immer wieder Soldaten und Waffen. Als Kunststudent in Barcelona wählte er als Thema zahlreicher Bilder historische Schlachten der Griechen und Römer oder die blutige Eroberung Südamerikas durch die Kolonialmacht Spanien. Erhalten sind auch einige Zeichnungen zum Burenkrieg 1899-1902 in Südafrika, den Picasso in den Zeitungen verfolgt hat. Ebenso beschäftigte ihn der Unabhängigkeitskrieg der Kubaner gegen Spanien, auf den 1898 der Spanisch-Amerikanische Krieg folgte, durch den die Kolonialmacht Spanien aus Lateinamerika vertrieben wurde.
Diese Ereignisse führten viele junge Männer der »Generation 98« aus einem Gefühl der Verachtung des Staates heraus zum Anarchismus. Mit ihnen fühlte sich Picasso jahrzehntelang solidarisch verbunden. 1900 war er erstmals in Paris, der Welthauptstadt der Kunst, wo er sich 1904 definitiv niederlassen sollte. Bei diesem Aufenthalt engagierte er sich auch zum ersten Mal persönlich, indem er eine Petition der spanischen Gemeinschaft in Paris mit unterzeichnete, die eine Freilassung von in Spanien inhaftierten Anarchisten forderte.
Dies verschaffte Picasso die »Ehre«, zeitlebens vom französischen Inlandsnachrichtendienst Renseignements généraux (RG) beobachtet und dort schließlich Gegenstand einer dicken Akte zu werden. 1909 gehörte Picasso wiederum zu den Unterzeichnern eines Protests gegen das Todesurteil für den Reformpädagogen und Pazifisten Francisco Ferrer, den die spanische Regierung ohne jeden Beweis beschuldigte, einer der Drahtzieher eines anarchistischen Aufstandsversuchs in Barcelona gewesen zu sein. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden viele von Picassos Freunden eingezogen oder meldeten sich freiwillig, wie beispielsweise Georges Braque und Guillaume Apollinaire. Durch die Briefe von Freunden aus dem Feld hatte er sehr klare Vorstellungen davon, welches Gemetzel sich dort abspielte. In Picassos Werk spielte dieser Krieg allerdings kaum eine Rolle.
Stärker war er in dieser Zeit und auch in den 1920er Jahren mit der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen beschäftigt. Sein politisches Interesse und sein Engagement erwachten erneut 1936 durch den Wahlsieg der linken Volksfront in Spanien, der Picasso tief bewegte - und dann besonders durch den Bürgerkrieg, den General Franco mit Unterstützung Hitlers und Mussolinis gegen die Republik anzettelte. Im Auftrag der Regierung der Spanischen Republik malte Picasso für deren Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937 ein Wandbild. Er wählte als Motiv den heimtückischen Bombenangriff auf die baskische Stadt Guernica und ihre Bewohner.
Im November 1938 unterzeichnete Picasso mit 130 katalanischen Künstlern einen offenen Brief, der die grausamen Verbrechen Francos gegen die Zivilbevölkerung in der Schlacht um Madrid anprangerte und die Völker Europas vor der Gefahr des Faschismus warnte, für den der Spanienkrieg ein Vorspiel und ein Test in Lebensgröße sei. Im Anschluss an die Weltausstellung wurde Picassos Bild »Guernica« auf einer Rundreise durch Europa und Übersee gezeigt, um Geld für die Opfer des Bürgerkriegs zu sammeln. Es war zunächst in den Hauptstädten Skandinaviens, dann in Großbritannien und schließlich in einem Dutzend großer Städte der USA zu sehen, bevor es 1942 angesichts des Krieges in Europa seinen vorläufigen Platz im Museum für Moderne Kunst in New York fand.
Als der Spanische Bürgerkrieg 1939 mit der Niederlage der Republik endete und eine halbe Million Menschen über die Pyrenäen nach Frankreich flüchtete, unterstützte Picasso sie nach Kräften. So spendete er mehrfach 200 000 Francs für ein Krankenhaus in Toulouse, das als Zentrale für die gesundheitliche Betreuung der Exilspanier diente. Picasso unterstützte auch spanische Künstler, die wie die Masse der Exilspanier in Internierungslagern in Südfrankreich leben mussten. Er regte sie an, die menschenunwürdigen Zustände dort im Bild festzuhalten. In der Ausstellung in Toulouse sind viele Werke spanischer Maler aus dieser Zeit zu sehen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beantragte Picasso Anfang 1940 demonstrativ die Staatsangehörigkeit seiner Wahlheimat Frankreich.
Eine negative Auskunft des Renseignements généraux wegen seiner »anarchistischen Vergangenheit« torpedierte das Vorhaben allerdings. Picasso stellte nie wieder einen Antrag und lebte bis zuletzt als Spanier in Frankreich. Während des Zweiten Weltkrieges zog er sich in sein Pariser Atelier zurück, mied jeden Kontakt mit dem Vichy-Regime oder den deutschen Besatzern und ging auf keinen ihrer Versuche der Vereinnahmung ein. Nach 1945 bezog Picasso im bald aufziehenden Kalten Krieg zwischen Ost und West Position: Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF).
Aus dem Bewunderer der Anarchisten in seinen Jugendjahren war inzwischen ein Pazifist geworden. Für die internationale Friedensbewegung schuf er als Symbol die Friedenstaube. Auf dem Internationalen Friedenskongress in Sheffield 1950 fasste Picasso sein Bekenntnis mit den schlichten Worten zusammen: »Ich bin für das Leben und gegen den Tod. Ich bin für den Frieden und gegen den Krieg.« Auch sein Bild »Guernica« wurde dafür eingesetzt. Ab 1953 war es zunächst in Rio de Janeiro, dann in großen Städten Europas - so auch in München, Köln und Hamburg - und schließlich erneut in zahlreichen Städten der USA ausgestellt, bis es 1958 wieder ins Museum für Moderne Kunst in New York zurückkehrte. Da Picasso angeordnet hatte, dass das Bild seinen endgültigen Platz in Spanien haben sollte, aber erst wenn im Land eine dauerhafte Demokratie herrscht, wurde es schließlich 1981 - Jahre nach seinem Tod - dorthin überführt.
Für seine kommunistischen Freunde, allen voran Paul Eluard und Louis Aragon, war Picasso jederzeit bereit, politische Kampagnen durch seine Unterschrift und - ausnahmsweise auch realistische - Zeichnungen zu unterstützen. Dass die dann durch den Abdruck in Zeitungen weit verbreitet wurden, trug viel zu seiner Popularität bei. Dazu gehörten beispielsweise die Proteste gegen den Koreakrieg, gegen das Todesurteil für Ethel und Julius Rosenberg in den USA, gegen den Prozess des jungen Matrosen Henri Martin, weil der Flugblätter gegen den Indochinakrieg verteilt hatte, gegen die Inhaftierung und Folter von Djamila Boupacha, die im Algerienkrieg für die Unabhängigkeit ihrer Heimat gekämpft hatte, aber auch für den Stockholmer Appell gegen Atomrüstung und für den Aufruf zur Amnestierung der politischen Häftlinge im Franco-Spanien.
Mit Ereignissen wie dem niedergeschlagenen Aufstand in Ungarn 1956 oder der gewaltsamen Beendigung des Prager Frühlings 1968 hingegen setzte sich Picasso nicht kritisch auseinander. Da unterschied er sich nicht von seinen Freunden von der PCF.
Sein letztes politisches Engagement galt dem Kampf gegen den Vietnamkrieg. Den Sieg Nordvietnams über die USA im Jahr 1975 erlebte er allerdings nicht mehr. Er starb 1973 im südfranzösischen Mougins. Ganz in der Nähe hatte er Jahre zuvor in Vallauris eine Kapelle gestaltet. Das Motiv eines seiner wichtigsten Wandbilder: Krieg und Frieden.
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