Mieterprotest als Investitionsrisiko

Der Widerstand gegen Immobilienunternehmen wie die Deutsche Wohnen wächst

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir haben Eigenbedarf«, steht auf einem großen Banner am Zaun der Lobeckstraße 64 in Berlin-Kreuzberg. Wenige Schritte weiter hängt eine überdimensionale Unterschriftenliste des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen«. Mit einem etwa anderthalb Meter großen Stift können dort die Mietaktivist*innen der »European Action Coalition for the Right of Housing and the City« symbolisch unterschreiben.

Rund 80 Menschen sind am Freitagmorgen zu dem hinter einem Baugerüst versteckten 16-geschossigen Hochhaus der Deutsche Wohnen gekommen, deren Mieter*innen sich zurzeit gegen die Modernisierungsmaßnahmen des für seine rabiaten Entmietungsstrategien berüchtigten Wohnungskonzerns wehren. Die Koalition aus stadtpolitischen Initiativen aus ganz Europa trifft hier im Rahmen ihres mehrtägigen Treffens in Berlin (»nd« berichtete) Vertreter*innen der Initiative zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen, die mittlerweile auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Berühmtheit erlangt hat.

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Die Aktivist*innen aus Frankreich, Portugal, Serbien, Rumänien und vielen weiteren Ländern zeigen sich beeindruckt von den mietenpolitischen Kämpfen in der Hauptstadt und sehen in dem Volksbegehren Vorbildcharakter für ähnliche Initiativen in ihren Ländern. Das hofft auch Iris Bärbel Müller von »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen«: »Wenn wir erfolgreich sind, werden andere Städte folgen«, ruft sie den jubelnden Aktivist*innen zu.

Die Schriftstellerin wohnt seit vielen Jahrzehnten in Kreuzberg und ist besorgt über die jüngsten Entwicklungen in ihrem Kiez: »Auch Menschen mit geringem Einkommen sollten in der Stadt leben können, in der sie arbeiten«, findet sie. Schließlich seien es Menschen wie Pfleger*innen, Busfahrer*innen oder Mitarbeiter*innen der Müllabfuhr, die dafür sorgen würden, dass diese Stadt funktioniert. »Wohnen ist ein Menschenrecht, aber es ist zu einem Privileg geworden«, so Müller, die selbst Mieterin der Deutsche Wohnen ist.

Deswegen wollen sie und ihre Mitstreiter*innen Wohnkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen – mit Entschädigung versteht sich. Rund ein Dutzend Unternehmen wären laut Müller in Berlin davon betroffen. Geht es nach der Initiative, würde dadurch rund eine Viertel Million Wohnungen in die öffentliche Hand überführt werden, wovon etwa eine halbe Million Mieter*innen profitieren würden. Dass es dazu kommt, bezweifelt sie keine Sekunde, der Rückhalt in der Bevölkerung ist groß: »Keine Sorge, wir haben weit mehr Unterschriften als wir brauchen.« Allein das ist für die Kreuzbergerin schon ein Erfolg, selbst wenn das Volksbegehren scheitern sollte, wüssten Investoren spätestens jetzt, dass sie in Berlin mit Widerstand rechnen müssen, ist Müller überzeugt. Die versammelten Mietaktivist*innen unterschreiben derweil fleißig die Unterschriftenliste. 
20 stadtpolitische Initiativen aus 
16 verschiedenen Ländern haben sich am Ende dort eingetragen.

Die Stimmung ist ausgelassen, Junge und Alte, Familien mit Kindern, Hundebesitzer*innen und Rollstuhlfahrer*innen freuen sich über die internationale Solidarität – die Wohnungsfrage betrifft die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten. Bereits am Abend zuvor hatte es eine Protestaktion gegeben, bei der rund 100 Menschen gegen eine Feier des Immobilienverbandes Deutschland in Kreuzberg demonstrierten.

Einige der Aktivist*innen bewarfen einen Reisebus mit vermeintlichen Kongressteilnehmer*innnen mit Eiern, Tomaten und Farbbechern – leider auf den falschen Bus, wie sich herausstellte. In dem saßen nämlich keine Immobilienmakler, sondern eine Gruppe krebskranker Menschen, die unterwegs zu einer Privatveranstaltung nach Oberschöneweide war. Noch bevor die Polizei eintraf, flüchteten die Aktivist*innen unerkannt.

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