Spätkaufbetreiber wollen am Sonntag öffnen

Laut Gesetz bleiben Spätis am Sonntag zu – die Betreiber wollen das gegen den Widerstand der Linkspartei ändern

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit kurzem kann man in Hassans Spätkaufstelle in der Nähe der Frankfurter Allee nicht mehr nur Bier, Snacks und Zigaretten kaufen. Auch zahlreiche Berlin-Souvenirs stehen mittlerweile im Schaufenster. Grund dafür ist das Berliner Ladenöffnungsgesetz. Dort heißt es sinngemäß: Wer Bedarfsartikel für Touristen anbietet, der darf auch an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 20 Uhr öffnen, ansonsten müssen Spätis wie auch Supermärkte am Sonntag zu bleiben.

»Vor drei Monaten hat das angefangen, dass wir verstärkt von den Behörden kontrolliert wurden und hohe Strafen zahlen mussten, jetzt verkaufen wir als Alibi Souvenirs«, sagt Hassan, der wegen befürchteten Konsequenzen seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wie nicht wenige der schätzungsweise 2000 Spätkaufstellen in Berlin hat sich Hassans Späti vor der Umstellung auf den touristischen Bedarf nicht an das Öffnungsverbot gehalten. Hassan wünscht sich, seinen Laden rund um die Uhr betreiben zudürfen. Zumindest sonntags uneingeschränkt öffnen zu können, wie Tankstellen und Bahnhofsläden auch, fordert er von der Politik. Denn für Hassan ist klar: »Am Sonntag machen wir den größten Umsatz.«

Mit seiner Forderung ist er nicht allein. Am Sonntag hat der Verein »Berliner Spätis« zur Kundgebung auf den Neuköllner Hermannplatz eingeladen. Gut 80 Betreiber, Angestellte und Späti-Freunde sind gekommen, um für ein freies Verkaufsrecht zu demonstrieren. Alper Baba, Vorsitzender des 150 Mitglieder starken Vereins, sagt: »Spätis sind Teil der Kiezkultur und Treffpunkt für Nachbarn. Sie gehören genauso zum Berlin-Bild wie die BVG.« Die Kioske hätten aber nicht nur eine kulturelle Stellung in der Stadt, findet Baba: »Viele am Arbeitsmarkt schwer vermittelbare Menschen haben erst bei den Spätkaufstellen Arbeit finden können. In Berlin leben insgesamt 20.000 Menschen von den Spätiverkäufen.« Mit dem Verein setzt er sich für eine klare rechtliche Definition von Spätis ein, die sie mit Tankstellen und Bahnhofläden gleichstellt.

Bei den Berliner Regierungsparteien ist man sich darüber allerdings uneins. Anja Kofbinger von den Grünen hält Ausnahmen für Spätis mit der Sonntagsruhe vereinbar. »Es gibt auch Lösungen, ohne das Gesetz ändern zu müssen. In Hamburg kann zum Beispiel am Sonntag verkauft werden, weil bestimmte Straßen zur touristischen Zone erklärt wurden«, sagt sie auf der Kundgebung. Nicht nur mit den Grünen ist Baba im Gespräch. Auch CDU, FDP und »50 Prozent der SPD« würden sich seiner Forderung anschließen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) hingegen hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen eine Sonntagsöffnung der Spätis ausgesprochen. Breitenbach meint, dass eine Ausnahmeregelung für Spätis dazu führe, dass Supermarkt-Ketten dies nicht hinnehmen würden und auf eine Gleichstellung ihrer Geschäfte mit den Spätis klagen könnten. Auch müsse man, so Breitenbach, auf die Einhaltung von Arbeitszeitgrenzen und die Gesundheit der Betreiber achten. Wie die Teilnehmer auf der Kundgebung hat Hassan dafür wenig Verständnis: »Wie lange ich arbeite, geht die Politik nichts an.« Auf dem Hermannplatz ist er an diesem Tag nicht, schließlich erarbeitet er am Sonntag den größten Wochenumsatz.

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